Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

Rund um Selbstständigkeit unter ALG II.
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Koelsch
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#26

Beitrag von Koelsch »

Tut mir leid, das LSG sagt sehr, sehr deutlich:
Damit ergibt sich für den dreimonatigen Bewilligungszeitraum ein Gewinn von insgesamt 6.617,05 EUR (21.182,93 EUR - 14.565,88 EUR). Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V 2008 ist für jeden Monat der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Demnach ist ein monatliches Einkommen von 2.205,68 EUR (6.617,05 EUR: 3 Monate) anzunehmen.

Hiervon ist je Monat der Grundfreibetrag von 100,- EUR (§ 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II a.F.) und der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II a.F. i.V.m. § 30 SGB II a.F. in Höhe von 180,- EUR abzusetzen, wonach sich ein bedarfsmindernd zu berücksichtigendes Einkommen von monatlich 1.925,68 EUR errechnet.

Ich sehe nirgends einen Hinweis, dass der Freibetrag von den Betriebseinnahmen zu berechnen wäre. Auch dieses Urteil sagt also das, was ich hier sage.

Und welche 2 Bundesrichter sich da anders geäußert haben sollen entzieht sich mir, da fehlt jede nachprüfbare Quelle.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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kleinchaos
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#27

Beitrag von kleinchaos »

Ich weiß nicht, ob Einkommenssteuer auf die UsSt gezahlt werden muss, wäre jedenfalls hirnrissig.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#28

Beitrag von Olivia »

Falls der TE auf seiner Rechtsauffassung beharrt, müsste er diese wohl am Sozialgericht versuchen durchzusetzen. Gegen die Ansicht des Jobcenters, aller Vorinstanzen, gegen die gefestigte Rechtsprechung, gegen die richterliche Rechtsfortbildung und gegen alle vorangegangenen Urteile. Weil die Erfolgsaussichten negativ sind, müsste ein eventueller Rechtsanwalt wohl auch aus eigener Tasche bezahlt werden.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#29

Beitrag von Tester »

kleinchaos hat geschrieben: So 7. Mai 2017, 13:04 Ich weiß nicht, ob Einkommenssteuer auf die UsSt gezahlt werden muss, wäre jedenfalls hirnrissig.
Nein, die USt ist werneutral und stellt nir einen durchlaufenden Posten dar.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#30

Beitrag von Olivia »

Muss Einkommensteuer nur auf die Nettobetriebserlöse gezahlt werden?
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Koelsch
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#31

Beitrag von Koelsch »

Ja
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#32

Beitrag von Tester »

Olivia hat geschrieben: So 7. Mai 2017, 14:24 Muss Einkommensteuer nur auf die Nettobetriebserlöse gezahlt werden?
Nein! Die Einkommenssteuer wird nur auf EINKOMMEN erhoben! Teile des Einkommens sind dann z.B. Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb, Vermietung und Verpachtung, unselbständige Arbeit.

Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb stellen den Gewinn (!) dar. Betriebseinnahmen = Betriebserlöse UNGLEICH Betriebsergebnis.

Die Umsatzsteuer ist eine Endverbrauchersteuer, die der Unternehmer oder freiberufler für den Staat (vom Endverbraucher) erhebt und an diesen weiter leitet. Mit anderen Worten: die Umsatzsteuer hat rein garnichts mit dem Unternehmen zu tun. Ein Unternehmen (oder selbständiger Freiberufler) ist kein Endverbraucher und muss deshalb auch keine USt zahlen (sofern er nicht USt befreit ist!). Den das was er an USt bezahlt hat rechnet er gegen mit dem was er an den Staat abführen sollte ....

Durch so begriffliche Ungenauigkeiten kommt es dann zu solchen Mißverständnissen beim Threadstarter und zu so einem Thread.

Freibeträge sind vom Einkommen abzuziehen. Auch ein selbständiger ALGII Bezieher kann verschiedene Einkünfte haben.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#33

Beitrag von Olivia »

mit Nettobetriebserlöse meinte ich die Nichtberücksichtigung der USt bei der Einkommensteuer
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#34

Beitrag von SchoenerBaum »

an tester: bitte lies Dir das Bundesurteil B 14 AS 1/13 R durch.
Das Bundesgericht sagt zwar, dass die Umsatzsteuer eine Verbrauchssteuer sei, aber wenn der Hilfebedürftige die Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt, muss er sie für seinen Bedarf verbrauchen; so das SGB II.

Einkommen im SGB II sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert - auch die 19% Steuer. Einkommen nach SGB II hat nichts mit dem Einkommensbegriff im Steuerrecht gemein.

Da ich ziemlich sicher in meiner Rechtsauffassung bin, versuche ich sie nochmals zu begründen:
Nach § 2 ALG II-V ist für nichtselbständiges Einkommen von den Bruttoeinnahmen auszugehen. Von den Bruttoeinnahmen werden die Absetzbeträge nach § 11b Absatz 3 ermittelt.
Das Bundessozialgericht in B 14 AS 1/13 R Rd 27: "§ 11 Abs 1 SGB II aF geht im Grundsatz von einem Einkommen im Sinne des ungekürzten, nicht um Abgaben und ähnliche Beträge geminderten Bruttoeinkommen aus (vgl ausdrücklich auch § 2 Abs 1 Alg II-V 2008). "
Das Gericht stellt ausdrücklich einen Vergleich der Betriebseinnahmen aus selbständiger Arbeit mit den Bruttoeinnahmen aus nichtselbständiger Arbeit her. So wie von den Bruttoeinnahmen die Absetzbeträge nach §11b Absatz 3 zu ermitteln sind, so sind sie auch von den Betriebseinnahmen zu ermitteln.
Der Unterschied ist aber (und das macht es kompliziert), dass für Einkommen aus selbständiger Arbeit in einem zusätzlichen Schritt ein weiteres Einkommen (Betriebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben ohne die in § 11b genannten Absetzbeträge) berechnet werden muss. Und erst von diesem berechneten Einkommen werden dann die Absetzbeträge nach §11b abgesetzt.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#35

Beitrag von Koelsch »

Ja, Umsatzsteuer ist zunächst mal Einnahme und Einkommen - ist im Steuerrecht genauso.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#36

Beitrag von Olivia »

Bei der Zahlung der USt ist es dann Ausgabe.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#37

Beitrag von SchoenerBaum »

an koelsch: so kann man selben Text verschieden verstehen:
Ich sehe im Zitat des LSG "und der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II a.F. i.V.m. § 30 SGB II a.F. in Höhe von 180,- EUR abzusetzen," dass die Absetzbeträge in Höhe von 180 Euro von den Betriebseinnahmen ermittelt wurden. Und sie dann "Hiervon", d.h. vom ermittelten Einkommen (Gewinn) abgesetzt werden.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#38

Beitrag von Olivia »

Welchen kaufmännischen Sinn ergibt es, die Freibeträge von den Umsatzerlösen runterzurechnen? :verwirrt:

Damit würden Unternehmer bevorteiligt, die teure Waren und Dienstleistungen anbieten. Ganz egal, wie hoch deren Kosten sind. Das kann keinen Sinn ergeben.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#39

Beitrag von SchoenerBaum »

an olivia: welche kaufmännischen Sinn macht es Umsatzsteuer für den eigenen Bedarf zu verwenden und sie dann, wenn man sie an das Finanzamt abführen muss, nicht mehr hat?
Meiner Ansicht macht das keinen kaufmännischen Sinn.

Im Sinne des SGB II macht es aber Sinn, denn dem Hilfesuchenden steht die Umsatzsteuer für seinen Lebensunterhalt zur Verfügung. Das Geld ist vorhanden und kann verbraucht werden.

Warum werden Unternehmen mit teuren Waren bevorteilt ? Kannst Du ein Beispiel nennen?
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kleinchaos
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#40

Beitrag von kleinchaos »

Also ich weiß ja nicht, vielleicht hab ich ja nur ein Brett vorm Kopp?

1000€ brutto aus nichtselbständiger Arbeit:
abgesetzt werden hier die gesetzlichen Abzüge KK, RV, AV. Abgaben insgesamt 212,75. Netto 787,25€ Erwerbstätigenfreibetrag = 100 + 134,46 = 234,46€

Jetzt kommt der Makler, der soeben eine Villa für 1 Mio vertickt hat, die er für 950.000 gekauft hat.
1 Mio ist also sein Einkommen. Von dieser 1 Mio hätte er gern den Ewerbstätigenfreibetrag. Und davon soll er auch Steuern etc zahlen.
Schon bei der UsSt wirds spannend. Auf alles? Oder nur auf die Differenz? Er wird sich mit Händen und Füßen wehren auf alles die Steuer zu zahlen. Er will also nur auf 50.000 UsSt zahlen. Und gnädig auch nur von den 50000 die Freibeträge haben. UND noch die anderen Kosten absetzen.

Während also der oben genannte Angestellte vielleicht noch notwendige Fahrtkosten absetzen kannund zB 2 Versicherungen alles zusammen 100€ , was dann den Freibetrag so aussehen lässt: 787,25 - 100 Ausgaben = 687,25. Freibetrag 100 + 117,40 = 217,40€. Er stellt sich also sogar bissel besser im Fall 2. 100€ Ausgaben mehr, jedoch bei Freibetrag nur 17€ "Verlust"

Beim Makler sind 50000 doch nicht der Gewinn. Es ist das Bruttoergebnis, wegen meiner auch Bruttogewinn. Jetzt kommen alle abgaben. Auch die UsSt. 7983,13 ist die UsSt.
Bei 50000 "Gewinn" freut sich natürlich das JC und sagt sofort tschüß. Ausgaben oder nicht, Freibeträge oder nicht. 5oooo Brutto damit biste weg.
Jetzt kommst du Maler aber an und sagts: ich hatte doch aber Kosten! In angemessener Höhe! Inserate, Fahrten zu Besichtigungen, Essen mit Interessenten usw, bei dem Preis muss man den Kunden schon um den Bart gehen, da muss man was bieten, da ist auch der Golfplatz noch dabei, kleiner Flug nach Malle usw. Malerkosten fürs Haus, Gartenarbeiten usw.
Wenn Makler pfiffig ist überweist er die UsSt sofort. Und er jault auf, als er sieht, wieviel Steuern er ja noch zahlen muss. Er hatte doch aber Kosten! Und JC sagt dann: nö, du hast 50000 verdient, aus die Maus.
Und schon wrd er vernünftig und legt seine Ausgaben vor. UsSt, Gärtner, Restaurantquittungen, Mitgliedsbeitrag Golfclub, Maler Klecks, Fahrtkosten, Wochendtrip nach Malle etc. Also alle mit der Gewinnerzielung notwendigen Augaben. Mit etwas Glück rechnet JC auch alle Ausgaben an. Es verbleiben nach Abzug aller Kosten (in dem Restaurant ist der Makler auch satt geworden und der und die Fahrten im "Betriebs"jaguar sind auch für ihn angenehm)mal angenommen 8000€. Die er glücklich auf 6 Monate aufteilen darf, obwohl er mal angenommen nur 1 Monat "gearbeitet" hat weil die Hütte schnell einen Käufer gefunden hat.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#41

Beitrag von Koelsch »

Um es noch einmal deutlich zu machen:
  • Vereinnahmte Umsatzsteuer ist Betriebseinnahme und wirkt sich eben steigernd auf den Betriebsgewinn aus. Für den ALG II-Bezieher heißt das die vereinnahmte USt. wird bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens berücksichtigt, genauso wie sie bei der Berechnung der Einkommenssteuer berücksichtigt wird, denn auch im Steuerrecht ist vereinnahmte Umsatzsteuer gewinnsteigernde Betriebseinnahme.
  • An' Finanzamt dann abgeführte Umsatzsteuer ist entsprechend dann Gewinn mindernde Betriebsausgabe
Zur "Ausgangsbasis" für die Freibetragsberechnung nach § 11b Abs. 3 SGB II gibt es eine herrschende und zumindest eine, nämlich hier vertretene abweichende Ansicht. Ich schließe mich aus eigener Überzeugung der herrschenden Ansicht an.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#42

Beitrag von Peterpanik »

Ihr macht eine Rechner rei, ist doch einfach Einnamen minus Ausgaben gleich Gewinn abzüglich Freibetrag, oder ......................

Beispiel : Gesehen auf 6 Monate, 1000,- € - 400,- € = 600,- € von 600,- € ; bleibt nichts für das Jobcenter.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#43

Beitrag von Koelsch »

Genau so isses
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Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#44

Beitrag von tigerlaw »

Ich habe den Eindruck, dass viele hier (insbesondere SchoenerBaum) mitten im WAld stehen und denselben vor lauter Bäumen gar nicht mehr sehen.

Ich möchte Euch an der Hand nehmen und gemeinsam aus dem Wald gehen.

Ausgangspunkt ist das Gesetz, hier § 11 und 11b SGB II: Von grundsätzlich (Ausnahmen in § 11a SGB II) allen Zuflüssen sind bestimmte Ausgaben absetzbar, und danach die Freibeträge.

Da ein Gesetz nicht stets unendlich in die Details gehen kann, gibt es die Möglichkeit, dass die Details in Normen ausgelagert werden, die im Rang unter dem förmlichen Gesetz stehen, nämlich in eine Verordnung. Eine solche Verordnung ist aber nur zulässig, wenn sie im Gesetz selber vorgesehen ist. Dies ist auch im SGB II der Fall, nämlich in § 13 SGB II ist dies geregelt. Nicht jede Verordnung, die in einem Gesetz vorgesehen ist, muss auch tatsächlich existieren. Dies ist auch im Bereich H-4 so: In § 13 III SGB II ist vorgesehen, dass die Regelungen zur Stallpflicht (§ 7 IVa SGB II) in eine Verordnung ausgelagert werden, diese Verordnung ist aber bis heute noch nicht erlassen worden.

Die in § 13 I Nr. 1 SGB II vorgesehene Verordnung besteht allerdings, das ist die ALG-II-VO, die grundlegend zum 1.1.2008 geändert wurde.

Die regelt verschiedene Materien:
Eingangsformel
§ 1 Nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahmen
§ 2 Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit
§ 3 Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft
§ 4 Berechnung des Einkommens in sonstigen Fällen
§ 5 Begrenzung abzugsfähiger Ausgaben
§ 5a Beträge für die Prüfung der Hilfebedürftigkeit
§ 6 Pauschbeträge für vom Einkommen abzusetzende Beträge
§ 7 Nicht zu berücksichtigendes Vermögen
§ 8 Wert des Vermögens
§ 9 Übergangsvorschrift
§ 10 Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Für unser Thema von Relevanz sind die §§ 2-6

Und da sieht mann sehr schön: Nichtselbständige Arbeit; Selbständige Arbeit, Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft; Sonstige Fälle sind drei Bereiche, die nebeneinander stehen und jeder für sich berechnet werden.

Dies geht auch mittelbar aus § 5 hervor, denn Verluste in einer Einkommensart können nicht mit Gewinnen in einer anderen Einkommensart verrechnet werden.

Soweit SchoenerBaum also selbständig tätig ist, braucht er sich nur um § 3 zu kümmern, §§ 2 und 4 kann er ausblenden.

Nach § 3 I ALG-II-VO ist von den Betriebseinnahmen "auszugehen". das Wort hat SchoenerBaum auch richtig zitiert, aber falsch verstanden: "Auszugehen" bedeutet hier nur den Beginn aller Schritte in § 3, nämlich dann Absetzungen der Ausgaben nach Absatz 2. Damit nicht wirklich alles abgesetzt werden kann, erfolgen in Abs. 3 Einschränkungen (Vermeidbar? Zu "üppig"? Unverhältnismäßig? Etc.).

Um eine gewisse "Glättung" herbeizuführen, wird in Abs. 4 das "strenge Zu- und Abflussprinzip" aufgelockert, als dass nicht monatlich geschaut, sondern für den gesamten Bewilligungszeitraum gerechnet wird und das Ergebnis dann durch die Anzahl der Monate dividiert wird. Dieser Wert soll dann um die Absetzbeträge des § 11b SGB II reduziert weden, und so steht es dann auch im Tabellenwerk des Bewilligungsbescheids.

Als Jurist habe ich gelernt, dass die Interpretation zuerst vom reinen Wortlaut auszugehen hat (in späteren Schritten kann evtl. unter dem Aspekt von Sinn und Zeck eine Zurückführung erfolgen ["teleologische Reduktion"], aber das sind schon vertiefte Details der "juristischen Methodenlehre" ...).

Und jetzt, lieber SchoenerBaum, prüfe Deine Ansicht anhand des Wortlauts der zitierten Normen, ob sie sich darin belegen lässt.

Auch wenn ich Nichtraucher bin, halte ich es gerne mit der alten HB-Reklame "Offen für neue Ansichten", ich lasse mich gerne überzeugen. Diese Arbeit obliegt aber nun Dir.
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#45

Beitrag von SchoenerBaum »

tigerlaw hat geschrieben: So 7. Mai 2017, 22:57 Nach § 3 I ALG-II-VO ist von den Betriebseinnahmen "auszugehen". das Wort hat SchoenerBaum auch richtig zitiert, aber falsch verstanden: "Auszugehen" bedeutet hier nur den Beginn aller Schritte in § 3, nämlich dann Absetzungen der Ausgaben nach Absatz 2. Damit nicht wirklich alles abgesetzt werden kann, erfolgen in Abs. 3 Einschränkungen (Vermeidbar? Zu "üppig"? Unverhältnismäßig? Etc.).
Ja, auszugehen bedeutet der Beginn der Schritte nach § 3 ALG II-V. Von den Betriebsausgaben werden die Betriebsausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerliche Vorschriften abgesetzt (§ 3 Absatz 2 ALG II-V). Und dann durch die Anzahl der Monate geteilt. Es ergibt sich ein Einkommen von dem die Absetzbeträge nach § 11b abzusetzen sind.

Aber auszugehen heißt auch, dass vom Einkommen nach § 11 SGB II die Absetzbeträge nach § 11b ermittelt werden. Lies bitte folgendes Randnotiz aus dem Urteil B 14 AS 1/13 R des Bundessozialgerichts vom 22. August 2013:
Rd 27: § 11 Abs 1 SGB II aF geht im Grundsatz von einem Einkommen im Sinne des ungekürzten, nicht um Abgaben und ähnliche Beträge geminderten Bruttoeinkommen aus (vgl ausdrücklich auch § 2 Abs 1 Alg II-V 2008).

§ 2 Abs 1 Alg II-V 2008: Bei der Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit ist von den Bruttoeinnahmen auszugehen.
§ 3 Abs 1 Alg II-V 2008: Bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit ist von den Betriebseinnahmen auszugehen.

Das nach § 3 errechnete Einkommen ist um Abgaben und ähnliche Beträge gekürzt. Nach B 14 AS 1/13 R Rd 27 geht § 11 Abs 1 SGB II aF von einem ungekürzten Einkommen( Bruttoeinnahmen oder Betriebseinnahmen) aus.

Ich lese eindeutig, dass für die Ermittlung der Absetzbeträge von den Betriebseinnahmen auszugehen ist. Und die Absetzbeträge werden von dem berechneten Einkommen nach § 3 ALG II-V (Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben durch Anzahl Monate) abgesetzt.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#46

Beitrag von Koelsch »

Dann wünsche ich viel Erfolg dabei, das bis zum BSG erfolgreich durchzuboxen
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#47

Beitrag von tigerlaw »

Nein, das Rechenprogramm ist in Rn 26 des Urteils präzise dargelegt:

Von den Einkommen im Sinne des ungekürzten, nicht um Abgaben und ähnliche Beträge geminderten Bruttoeinkommen (also incl. Umsatzsteuer!) sind in einem ersten Schritt die Ausgaben nach § 3 II ALG-II-VO auszuziehen, nicht aber auch die Ausgaben nach § 11 II SGB II a.F. (jetzt: § 11b I SGB II).
Von dem so ermittelten Gewinn ist das arithmetische Mittel über die Monate des BWZ zu bilden (§ 3 IV ALG-II-VO) und darauf dann die Absetzbeträge des § 11 II SGB II a.F. (jetzt: § 11b I SGB II) anzuwenden.

So, wie die Rechtsanwendung in Deutschland abläuft, wird ein Gericht nicht zwischen "Hü" und "Hott" oszillieren, sondern erst einmal bei seiner eingeschlagenen Linie bleiben.

Natürlich - auch die Bundesgerichte geben schon einmal eine "ständige Rechtsprechung" auf, aber dann muss man schon sehr, sehr starke ARgumente anführen, die dazu führen. Ohne Dir nahe treten zu wollen, aber in diesem Fall dürfte es wohl aussichtslos sein, eine Revisionszulassung zu erlangen, um dem BSG die Möglichkeit zu eröffnen, sich neue Gedanken zu machen.
Dies hat Koelsch wohl in seinem Beitrag soeben gemeint.

Noch ein Punkt: Gerade weil das BSG in Rn 24 so formuliert hat, dass auch eingenommene, aber im BWZ noch nicht abgeführte Umsatzsteuer nach BWZ-Ablauf als "bereites Mittel" zu verbrauchen ist, ist dringend zu empfehlen, mit der Fnanzverwaltung zu vereinbaren, über die Umsatzsteuer vierteljährlich, wenn nicht sogar monatlich mittels Voranmeldung abzurechnen, damit möglichst wenig MWSt-Überträge "gewinnsteigernd" berücksichtigt werden müssen!
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#48

Beitrag von SchoenerBaum »

tigerlaw hat geschrieben: Do 11. Mai 2017, 21:23 Von dem so ermittelten Gewinn ist das arithmetische Mittel über die Monate des BWZ zu bilden (§ 3 IV ALG-II-VO) und darauf dann die Absetzbeträge des § 11 II SGB II a.F. (jetzt: § 11b I SGB II) anzuwenden.
Was bedeutet 'anzuwenden' für Dich in diesem Zusammenhang? Werden die Absetzbeträge nach § 11b vom 'Gewinn' ermittelt oder nach den Betriebseinnahmen? Was ist die Basis für die Absetzbeträge? Die Betriebseinnahmen oder der 'Gewinn' ?

B 14 AS 1/13 R BSG vom 22. August 2013; Rd 23:
Nach der Ermittlung der Betriebseinnahmen sind zur Berechnung des nach dem SGB II anrechenbaren Einkommens von den Betriebseinnahmen in einem weiteren Schritt die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach §11 Abs 2 SGB II aF abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen (§3 Abs 2 S 1 Alg II-V 2008/2009).
Im gleichberechtigten Zusammenwirken der beiden Regelungen sind daher solche Ausgaben keine "Betriebsausgaben" iS des §3 Alg II-V 2008/2009, die gleichzeitig Absetzbeträge nach §11 Abs 2 SGB II aF sind (Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, §11b RdNr "Rohergebnis aus betrieblichen Einnahmen und rein betrieblichen Ausgaben").
Die Beträge, die sich aus §11 Abs 2 SGB II aF ergeben, werden erst in einem abschließenden Schritt von dem nach §3 Abs 4 Alg II-V 2008/2009 monatsweise verteilten Einkommen abgesetzt (BSG Urteil vom 22.8.2013 - B 14 AS 1/13 R - SozR 4-4200 §11 Nr 64, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen, RdNr 26; vgl auch Mecke in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, §13 RdNr 58).
Dabei gilt für Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung und abhängiger Tätigkeit bis zu 400 Euro gleichermaßen, dass an die Stelle der einzelnen Beträge nach §11 Abs 2 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II aF ein höhenmäßig begrenzter pauschaler Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen ist (§11 Abs 2 S 2 SGB II aF).

Ich verstehe das so: die Absetzbeträge nach § 11b SGB II von den Betriebseinnahmen ermittelt werden (gleichberechtigten Zusammenwirken der beiden Regelungen) und später vom berechneten Einkommen nach § 3 Abs 4 ALG II-V abgesetzt werden. Falsch?

Weiß jemand was das bedeutet: Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, §11b RdNr "Rohergebnis aus betrieblichen Einnahmen und rein betrieblichen Ausgaben"
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#49

Beitrag von Peterpanik »

Das werden wir alles erfahren wenn sie was irgend wann entscheiden beim BSG, kann aber dauern ...............
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Re: Betriebseinnahmen als Berechnungsgrundlage für §11b

#50

Beitrag von marsupilami »

SchoenerBaum hat geschrieben: Fr 12. Mai 2017, 19:58 Ich verstehe das so: die Absetzbeträge nach § 11b SGB II von den Betriebseinnahmen ermittelt werden (gleichberechtigten Zusammenwirken der beiden Regelungen) und später vom berechneten Einkommen nach § 3 Abs 4 ALG II-V abgesetzt werden. Falsch?
:1:

SchoenerBaum hat geschrieben: Fr 12. Mai 2017, 19:58Weiß jemand was das bedeutet: Schmidt in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, §11b RdNr "Rohergebnis aus betrieblichen Einnahmen und rein betrieblichen Ausgaben"
Ich nicht.
Signatur?
Muss das sein?
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