Man muss/kann nicht alles verstehen

Rund um Selbstständigkeit unter ALG II.
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Koelsch
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Man muss/kann nicht alles verstehen

#1

Beitrag von Koelsch »

Erhalte soeben einen gerade ergangenen endgültigen Bescheid nach Vorlage aEKS (1.1.2017 bis 30.6.2017) übersandt, den ich nicht so ganz verstehe.

Die von mir mit erarbeitete, und daher vorsichtige, aEKS weist einen Gewinn von € 800,?? / Monat aus.

Wie nicht anders zu erwarten, wird das vom JC nicht akzeptiert, Begründung, in welchen Punkten abgewichen wurde, fehlt natürlich.
JC rechnet also jetzt im Bescheid mit einem Gewinn von € 364,?? pro Monat :1:

:unschuld: Es ist klar, wir werden Widerspruch einlegen, denn JC unterschlägt im Bescheid den eLB zustehenden Alleinerziehendenzuschlag in Höhe von 12% (§ 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) - und damit können wir JC natürlich nicht durchkommen lassen :unschuld:

Die reformatio in peius (Verböserungsverbot) ist mit natürlich dabei bekannt. :zwinker:
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Olivia
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#2

Beitrag von Olivia »

Bei einem Widerspruch besteht doch aber die Gefahr, dass der ganze Bescheid neu erstellt wird - neuer Sachbearbeiter, neue Interpretation der EKS. Das Jobcenter könnte sich auf einen Irrtum berufen, 950 € mtl. Gewinn ansetzen und weitere Kosten streichen.
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Koelsch
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#3

Beitrag von Koelsch »

Desderwegen verwies ich auf die reformatio in peius - das eben geht so einfach nicht. Wenn die Gefahr bestünde, würde ich auf die € 49,08/Monat pfeifen.
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Olivia
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#4

Beitrag von Olivia »

Das Jobcenter sitzt aber am längeren Hebel. Wird ein neuer, ungünstigerer Bescheid erstellt, so sehe ich folgende Gefahr: der Widerspruch wird abgelehnt, weil die Widerspruchsstelle "reformatio in peius" a) entweder nicht kennt oder b) nicht gelten lassen will. Stattdessen ergeht ein Bescheid mit einer "Korrektur von Amts wegen". Bis der Widerspruch durch ist, ist dann der BWZ abgelaufen. Eine Gefahr für die Sicherstellung des Lebensunterhalts besteht ja nicht, weil in der EKS 800 € Gewinn angegeben wurden. Demzufolge wird auch kein Eilverfahren möglich sein.
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Koelsch
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#5

Beitrag von Koelsch »

Eilverfahren doch ohnehin nicht, es geht um eine aEKS also ohnehin in der Vergangenheit. Und das klagen wir dann im Zweifel schon durch, der Widerspruch heißt ja nicht, dass jetzt erst mal nix gezahlt wird, es wird erst mal gezahlt, es fehlen nur die € 49,08
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Olivia
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#6

Beitrag von Olivia »

:verlegen: Hatte versehentlich vEKS gelesen!
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Günter
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#7

Beitrag von Günter »

Gegen den Bescheid vom ..... lege ich einen Teilwiderspruch ein.

Es wurde der Alleinerziehendenzuschlag in Höhe von 12% (§ 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) vergessen.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
Olivia
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#8

Beitrag von Olivia »

Richtig, gute Idee. Da der Sachbearbeiter den Vorgang schnell vom Tisch kriegen will, wird dieser Zuschlag einfach neu mit berücksichtigt, ein Änderungsbescheid erstellt und gut ist.
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tigerlaw
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#9

Beitrag von tigerlaw »

"Teilwiderspruch" ginge nur hinsichtlich KdU oder RL. Innerhalb RL oder KdU ist keine weitere Beschränkung möglich (z.B., wie hier, Beschränkung nur auf Mehrbedarf für Alleinerziehende)
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#10

Beitrag von Olivia »

Was bedeutet das? Dass dann doch der ganze Bescheid neu aufgerollt werden könnte und eventuelle Rechtsfehler von Amts wegen ggf. auch zu Ungunsten des eLB korrigiert werden?
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Günter
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#11

Beitrag von Günter »

Wieso? Der Bedarf nach §20 und §22 SGB II wurde doch korrekt berechnet.

Ich widerspreche doch nur dem vergessenen Mehrbedarf nach §221 SGB II
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#12

Beitrag von Olivia »

Ich glaube, Tigerlaw meint, dass eine Beschränkung des Widerspruchs nicht möglich ist, sondern dass bei einem wirksam eingelegten Widerspruch die Möglichkeit besteht, dass der Sachbearbeiter nochmal alles neu aufrollt.
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tigerlaw
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#13

Beitrag von tigerlaw »

Olivia hat geschrieben: Sa 16. Sep 2017, 12:34 Was bedeutet das? Dass dann doch der ganze Bescheid neu aufgerollt werden könnte und eventuelle Rechtsfehler von Amts wegen ggf. auch zu Ungunsten des eLB korrigiert werden?
Aus dem Münder-Kommentar zu SGB II, Anhang - Verfahren:
(...)
Randnummer 43 Gegenstand des Widerspruchs ist der Verwaltungsakt. Ist er teilbar, kann gegen ihn auch nur partiell Widerspruch erhoben werden (s.u. → Rn 52). Insoweit verfügt der Widerspruchsführer über den Verfahrensgegenstand. Er hat aber auch insoweit Einfluss auf das Widerspruchsverfahren, als es ihm bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides (BVerwG MDR 1975, 251) möglich ist, den Widerspruch zurückzunehmen oder ihn für erledigt zu erklären. Beides führt zur Beendigung des Widerspruchsverfahrens.
(...)
Randnummer 51 Der rechtliche Schwebezustand, in dem sich der Verwaltungsakt während des Widerspruchsverfahrens befindet, führt dazu, dass die Behörde die getroffene Regelung insgesamt nochmals auf ihre Recht- und Zweckmäßigkeit überprüfen muss. Daraus resultiert nicht nur die Möglichkeit, Verfahrens- und Formfehler zu heilen (z.B. fehlende Begründung oder unterbliebene Anhörung) zu beheben (§ 41 Abs. 1 und 2 SGB X), sondern auch die Rechtsfolge insgesamt oder teilweise anders zu regeln als mit dem angegriffenen Verwaltungsakt geschehen, soweit die Voraussetzungen der §§ 43 ff. SGB X eingehalten werden (BSG 53, 284 [287 ff.]). Geschieht dies zu Ungunsten des Adressaten (sogenannte Verböserung oder reformatio in peius), muss dieser daher im Regelfall zuvor angehört werden (vgl. Meyer-Ladewig § 85 Rn 5 zu § 85 unter Hinw. a. § 71 VwGO). Vor diesem Hintergrund ist die Frage, wie weit der Widerspruch reicht, besonders relevant. Liegt nämlich ein teilbarer Verwaltungsakt vor, steht es dem Adressaten offen, seinen Widerspruch entsprechend zu konkretisieren. In dieser Hinsicht bestimmt der Widerspruchsführer Umfang und Gegenstand des Widerspruchsverfahrens.

Randnummer 52 Schwierigkeiten bereitet in der Praxis die Frage der Teilbarkeit eines die Geldleistungen regelnden Verwaltungsaktes. Insoweit geht das BSG nur von einer Teilbarkeit hinsichtlich des „Verfügungssatzes“ – Entscheidungstenors – aus, der die jeweiligen Leistungen des betreffenden Trägers der Grundsicherung (BA und Kommune) regelt (BSG 7.11.2006 – B 7 b 8/06 Rn 18; 27.2.2008 – B 14 AS 23/07 R). Das gilt insbesondere hinsichtlich der Regelleistungen einerseits und der Unterkunftsleistungen andererseits. Eine darüber hinausgehende Teilbarkeit, etwa hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung, schließt das Gericht aus. Wird gleichwohl nur über die Aufwendungen für Unterkunft oder Heizung gestritten, behilft sich das Gericht damit, den nicht umstrittenen Teilanspruch als „unstreitig“ auszuklammern. Damit kommt es dem Ergebnis nahe, das bei der Annahme der weitergehenden Teilbarkeit bestünde und die Anfechtung und Verpflichtung von Teilelementen zulässt. In der Konsequenz der Rechtsprechung des BSG bestünde danach nur hinsichtlich des Verfügungssatzes über die Höhe des Leistungsanspruches gegen den einen der beiden Träger eine Bindungswirkung. Soweit das BSG darüber hinaus davon ausgeht, dass die die Teilleistung der BA begründenden normativen Bedarfspositionen für die Leistungen des kommunalen Trägers Tatbestandswirkung entfalten (7.11.2006 a.a.O.), lässt sich dies nur mit der aus § 44 a Abs. 5 Satz 1 resultierenden Feststellungskompetenz im Innenverhältnis (s. dazu → § 44 a Rn 36) begründen.

(...)
Ergebnis: Ich hatte nur die Rechtsprechung des BSG vor Augen. Mit "Unstreitigstellen" kann man dann aber wohl doch noch auf weiter Einezelaspekte einengen!
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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Pegasus
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#14

Beitrag von Pegasus »

Verböserung --> gleich in mein ureigenes Wörterbuch übernommen. :-)
In jeden Stein, in jeden Ast, in jeden Tier ist Leben wie in Dir selbst
Einst hatten wir Angst und zogen in den Krieg, um unsere Freiheit zu verteidigen. Heute haben wir Angst vor Worte.
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Koelsch
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#15

Beitrag von Koelsch »

Wir werden den Widerspruch machen - ich seh's auch von der praktischen Seite:

Wenn ich hinkommen und JC erkläre - Du da fehlt aber noch der Alleinerziehendenzuschlag, dann wird Widerspruchsstelle gucken: Jau, Mama
und Kind und sonst niemand - da hat sie Recht. Die werden nicht auf die Idee kommen zu sagen: Ja wo isse denn die aEKS? Da müssen wir aber jetzt mal Belege abhaken, und Kreuzchen machen und genau nachrechnen.
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#16

Beitrag von Olivia »

Da wurde gar nicht nachgerechnet?
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Koelsch
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#17

Beitrag von Koelsch »

Ich weiß nicht, was JC da gemacht, hat, ich kenn meine Zahlen und ich kenn den im Bescheid ausgewiesenen Gewinn - und was dazsichen passiert ist? :1:
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Günter
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Re: Man muss/kann nicht alles verstehen

#18

Beitrag von Günter »

Wenn jemand Zukunft und Vergangenheit nicht unterscheiden kann, leidet er dann an Realitätsverlust?

Oli, ab in die Politik. Da gehörst du hin.
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Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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