Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

Rund um Selbstständigkeit unter ALG II.
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Tester
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Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#1

Beitrag von Tester »

Ich habe von einem Fall gehört und frage mich, wie man da nur helfen könnte.

Das Kind ist schon dreimal in den Brunnen gefallen. Ein Selbständiger hat eine tragfähige Selbständigkeit, ... jetzt wäre die Geschichte schon zu Ende, wenn es nicht so verrückt wäre, .... aber seit 6 Jahren keine EKSt Erklärung abgegeben, keine USt gezahlt, keine KK Beiträge bezahlt und keine Miete gezahlt. Keinerlei Buchhaltung .... und er schreibt keine Rechnungen (!), hat aber tatsächlich Forderungen im mittleren 5stelligen Bereich. Seine Selbständigkeit kann er problemlos bewerkstelligen, aber für Buchhaltung, Steuern und Rechnungen fehlt ihm der Antrieb. Daher keine Wohnung mehr, KK Schulden im 5stelligen Bereich, Finanzamt kaum zu überschauen ...

Zu was kann man hier raten? Zum JC schicken? Wenn ich da an die EKS denke, das bekommt er im Ansatz nicht hin. Aber z.B. KK langt jeden Monat mit dem höchsten Beitrag zu, da ja auch die EKSt Bescheide fehlen. Es häufen sich also auf der einen Seite ungelöste Probleme (Buchhaltung, Steuererklärungen, usw) an und auf der anderen Seite ungeschriebene Rechnungen und somit Forderungen (wann verjähren solche Forderungen eigentlich? 5 Jahre?).

Mein Ratschlag, das Gewerbe erstmal sofort einzustellen, um dann das Durcheinander zu bereinigen wurde ignoriert.
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Koelsch
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#2

Beitrag von Koelsch »

Ach Du Sch....
Du hast sicher Recht, JC wird nicht funzen, wenn er nix mit Buchführung etc. am Hut hat.

Nur, 6 Jahre keine Steuer, da sind also vermutlich Schützungen gekommen. Hat er auf der Basis gezahlt? Wenn ja, wovon, wenn er keine Recghnungen schreibt?
Hat er nicht gezahlt, dann wird über kurz oder lang ein "nettes Schreiben" kommen, in dem ihm die Gewerbeuntersagung angedroht wird - und die wird dann kommen und dann ist Schluss mit selbstständig.

Hilft ihm nicht, das einzige was helfen könnte, dass er einsieht, dass er dringendst jemanden "für den Papierkram" braucht.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Tester
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#3

Beitrag von Tester »

Ach du Sch ....

Hab ich auch gedacht.

Ja er wird wohl geschätzt und Finanzamt pfändet dann fleissig. Und das ist natürlich kein Vorteil für ihn, vermutlich müsste er wesentlich weniger zahlen, wenn er ne vernünftige Buchhaltung hätte.

Wovon bezahlt? Sehr sehr sehr sporadisch hat er sich durchgerungen und ne Rechnung rausgehauen, wenns wohl garnichtmehr ging, also Strafbefehl Führerscheindelikt und nix mehr im Portemonnaie, sah dann so aus Zahlungseingang 9000, Pfändungen rasseln alle los, ihm bleibt der Freibetrag und wenn man dann keine Miete, KK Beiträge usw bezahlt reicht das schon wieder für einen längeren Zeitraum.

Jemanden für die Buchhaltung wird schwierig, wenn er die nicht bezahlt, ein Steuerberater hat auch noch Forderungen ...

Gewerbeuntersagung wäre wohl das beste was ihm passieren könnte.
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Koelsch
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#4

Beitrag von Koelsch »

Nur dann ist erst mal für 'ne längere Zeit gar nix mehr. Könnte trotzdem nicht übel sein, dann Inso anmelden, Schulden großenteils von der Backe bekommen und danach, mit was Glück, das muss man dazu sagen, Aufhebung der Gewerbeuntersagung durchboxen und "ordentlich" neu beginnen. Nur - woher kommt bei der Vorgeschichte der ordentliche Neubeginn?
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#5

Beitrag von Tester »

Wenn er das Gewerbe abmeldet, dann käme er so einer Untersagung zuvor und könnte sich so sammeln und neu aufstellen und erstmal ALGII beantragen.

Neubeginn könnte sein, das er das was er selbständig macht, dann als AN macht. Den m.M. nach ist es ja schön und gut, wenn man selbständig halbwegs erfolgreich arbeiten kann, aber dann nicht die einfachsten Prinzipien befolgt, z.B. mal alle Belege im Ordner abheften und einmal im Jahr zum Steuerberater bringt.
Olivia
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#6

Beitrag von Olivia »

Der Betroffene sollte über eine Gewerbeuntersagung oder Gewerbeabmeldung und eine Privatinsolvenz einen Neuanfang machen und sich danach bei einem Kleinunternehmen anstellen lassen, wo er ein Gehalt verdient.

Denn er macht ja seine Arbeit offensichtlich gut, nur die ganze Buchhaltung und Organisation ist ein Desaster. Das geht so nicht und da muss eine Änderung her.

Wieso nimmt er sich keine Buchhalterin oder ein entsprechendes Büro, das den ganzen Schriftkram erledigt? Inkl. Ausgangsrechnungen usw. Verstehe ich nicht.
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#7

Beitrag von Tester »

Olivia hat geschrieben: So 18. Mär 2018, 10:23 Wieso nimmt er sich keine Buchhalterin oder ein entsprechendes Büro, das den ganzen Schriftkram erledigt? Inkl. Ausgangsrechnungen usw. Verstehe ich nicht.
Weil er das wohl nicht bezahlen könnte? Niemand mag umsonst arbeiten ....
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Koelsch
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#8

Beitrag von Koelsch »

Wenn da vom FA geschätzt wurde/wird und er das gezahlt hat, dann wäre ein Buchhalter mit Sicherheit drin, denn FA schätzt in aller Regel recht "großzügig"
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#9

Beitrag von Tester »

Koelsch hat geschrieben: So 18. Mär 2018, 14:22 Wenn da vom FA geschätzt wurde/wird und er das gezahlt hat, dann wäre ein Buchhalter mit Sicherheit drin, denn FA schätzt in aller Regel recht "großzügig"
Als Beispiel:
Zahlungseingang Dezember: 8000€ (gepfändet bis auf 1130)
Zahlungseingang Januar 0€:
Zahlungseingang Februar: 3000€ (gepfändet, teils FA, teils andere Gläubiger, FA immer noch nicht zufrieden)
Zahlungseingang März: 0€

Dann zeig mir mal, wie Du mit jeweils max 1130 € ./. Lebenshaltung ./. Krankenkassenbeiträge Deinen Buchhalter bezahlst!?
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Koelsch
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#10

Beitrag von Koelsch »

Ich vermute eben, wenn da ordentliche Steuer gemacht worden wäre, dann wären die Pfändungen deutlich geringer oder gar nicht erst aufgetaucht.

Und auch einen Pfändungsfreibetrag kann man aufstocken, wenn man eben nachweist, wofür man mehr Geld braucht.
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#11

Beitrag von Tester »

Koelsch hat geschrieben: So 18. Mär 2018, 21:07 Ich vermute eben, wenn da ordentliche Steuer gemacht worden wäre, dann wären die Pfändungen deutlich geringer oder gar nicht erst aufgetaucht.

Und auch einen Pfändungsfreibetrag kann man aufstocken, wenn man eben nachweist, wofür man mehr Geld braucht.
Wenn er seine Steuer vor Jahren gemächt hätte? Meinst Du das so? Ja klar, dann denke ich es wäre eine rentabele Tätigkeit. Selbst die nun verlorene Wohnung war lächerlich günstig, eine Schande. Und der Vermieter war sehr nachsichtig, bis 7000€ aufgelaufene Mietschulden ....


Gibt es zum anheben des Freibetrags noch andere Gründe als diese:
Der Freibetrag kann erhöht werden,

wenn der Schuldner einer oder mehreren Personen gegenüber zum Unterhalt verpflichtet ist (§850 k Abs. 2 Nr. 1a ZPO)
wenn der Schuldner einer oder mehreren Personen Unterhalt zahlt (§850 k Abs. 2 Nr. 1a ZPO)
wenn der Schuldner Leistungen nach sozial­rechtlichen Vorschriften für Personen entgegen nnimmt, denen gegenüber er nicht zum Unterhalt verpflichtet ist (Bedarfs­gemeinschaft) (§850 k Abs. 2 Nr. 1 b ZPO)
wenn der Schuldner einmalige Sozial­leistungen erhält (z.B. Kosten für eine Klassen­fahrt oder Geld­leistungen zum Ausgleich eines durch Gesundheits­schadens bedingten Mehr­aufwands (Bedarfs­deckung in besonderen Lebens­lagen)
wenn der Schuldner Kinder­geld entgegennimmt
Gewerbeabmeldung wird vermutlich genauso unmöglich sein, wie Rechnungen schreiben.
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Koelsch
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#12

Beitrag von Koelsch »

Für Selbstständige ist das nicht leicht, das weiss ich leider.

Musterantrag mal anbei, die "Fachleute" sind da genannt. Eine gründliche Beratung ist da aber nicht kostenlos. Im Zweifel zart anklingen lassen, das ich die Empfehlung gegeben hab, das dürfte sich positiv auf den Preis auswirken - ich helf bei denen ab und an mal aus.

Muster_Erhoehung_Pfaendungsfreibetrag_Selbstständige_850i_v2018.docx
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Re: Selbständigkeit bis zum bitteren Ende

#13

Beitrag von Tester »

Danke danke,

die Vorlage ist aber ein Antrag gem. § 850L ZPO oder?

In diesem Fall denke ich aber, das eine Erhöhung des Freibetrags nicht das Problem lösen kann, sondern es eher verschärft.
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