Gehören Forderungen in die Anlage VM?

Rund um Selbstständigkeit unter ALG II.
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Koelsch
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Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#1

Beitrag von Koelsch »

Aus gegebenem Anlass:

eLB, selbstständiger Aufstocker, stellt Erstantrag. Selbstständigkeit besteht seit Jahren

Er hat erhebliche, den Schonvermögensbetrag deutlich überschreitende Forderungen gegen Dritte. Ob diese Forderungen realisierbar sind, ist derzeit offen, eLB hat bisher auch aus privaten Gründen keine "harten" Schritte in Richtung Realisierung/Verwertung unternommen.

Frage:
  1. Sind diese Forderungen in der Anlage VM als Vermögen anzugeben? Die Frage der Verwertbarkeit stellt sich ja erst später nach Antragstellung, muss hier also erst mal nicht berücksichtigt werden
  2. Wenn nein, wie sind dann Geldeingänge im Wege der Forderungsrealisierung zu werten, wenn die Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb kommen
    1. als Betriebseinnahme, es werden also ganz normal die Freibeträge nach § 11b SGB II angewendet
    2. als sonstiges Einkommen, also keine "Großartigen" Freibeträge, allenfalls die Versicherungspauschale
  3. Wenn ja, wäre eLB dann verpflichtet "alles" zu unternehmen, um diese Forderungen einzutreiben, also bis hin zur gerichtlichen Geltendmachung mit dem Ziel Pfändung.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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Günter
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#2

Beitrag von Günter »

Aus dem Bauch würde ich wie folgt antworten.

1. Der potentielle ALG II Empfänger ist verpflichtet alles zu tun, um aus der Bedürftigkeit zu entkommen ( §2 SGB II)

=> er muss die Forderungen eintreiben.

2. Diese Forderungen stellen aber keine bereiten Mittel dar, also muss bis zum Erfolg der "Eintreibbemühungen" ALG II mindestens als Darlehen gewährt werden.

3. Eintreiben heißt ja nicht, dass man voll befriedigt wird.Mal als Beispiel ich hatte mehrere Prozesse gegen Bauherren geführt, da werden üblicherweise Mängel behauptet, nach Ewigkeiten gibt es statt eines Urteils einen Vergleich, ca 50 : 50 nach Abzug der Anwalts und Prozesskosten 2 Instanzen Landgericht/Kammergericht blieben ca 10 % der Forderungen übrig.

=> die Forderungen sollten gut begründet mit maximal 50 % des Wertes als irgendwann zu realisierendes Einkommen eingesetzt werden.

Ob das juristisch einwandfrei ist? :1:
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kleinchaos
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#3

Beitrag von kleinchaos »

Kommt drauf an ob es betriebliche Forderungen sind oder private.
Private könnte man in die VM eintragen, aber wo dort?
Betriebliche Forderungen werden in der EKS auch nicht abgefragt
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Günter
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#4

Beitrag von Günter »

Auszug aus dem §12 SGB II
(1) Als Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.
verwertbar ist nur, was vorher realisiert wurde.
(4) Das Vermögen ist mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen. Für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der Zeitpunkt des Erwerbs. Wesentliche Änderungen des Verkehrswertes sind zu berücksichtigen.
Verkehrswert heißt in dem Falle erstmal die Einschätzung des wirklich realisierbaren Teils der Forderungen.

Mal so angenommen ich hätte Forderungen in Höhe des 3 fachen Freibetrags, dann würde ich doch den realiserbaren Teil der Forderungen mit 30 % ansetzen und auch begründen. Unter anderen mit der Begründung ich habe kein Geld für die erforderliche Gerichtliche Durchsetzung meiner Forderungen und stelle vorsorglich den Antrag auf Übernahme der erforderlichen Prozess- und außergerichtlichen kosten durch das JC,


Lehnen die ab, setze ich die Forderungen mit dem Wert 0% ein, da mir die Mittel zum Eintreiben fehlen.
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Koelsch
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#5

Beitrag von Koelsch »

Mir geht's mehr um die Frage, sind Forderungen generell Vermögen und von daher in die VM einzutragen? Nur wenn es Vermögen ist, dann stellt sich doch die Frage verwertbar ja/nein?
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#6

Beitrag von Olivia »

Wenn bisher gewichtige Gründe gegen eine Eintreibung der Forderungen gesprochen haben, dann werden sich die Gründe mit Bezug des ALG II nicht geändert haben. Insofern sind die Forderungen während des ALG II Bezuges kein verwertbares Vermögen. Ist ALG II bei nicht verwertbarem Vermögen denn nicht als Zuschuss zu erbringen?
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#7

Beitrag von Olivia »

Koelsch hat geschrieben: Sa 24. Nov 2018, 12:09 Mir geht's mehr um die Frage, sind Forderungen generell Vermögen und von daher in die VM einzutragen?
Wikipedia sagt ja.
Zum Geldvermögen gehören Bargeld, Geldanlagen (Bankguthaben), Wertpapiere (Aktien, Anleihen oder Investmentanteile) und Forderungen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Verm%C3%B ... irtschaft)
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Koelsch
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#8

Beitrag von Koelsch »

Richtig, Wikipedia sagt das, in einer Bilanz tauchen die Forderungen auch unter den Aktiva = Vermögen auf.
Aber SGB II hat nun mal mit Wikipedia und Bilanrecht und "normaler" Buchführung nix zu tun, und da bleibt die Frage: Sind Forderungen im Bereich des SGB II auch als Vermögen anzusehen, so wie eigentlich überall sonst, oder macht das SGB II mal wieder "alles anders"?
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Günter
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#9

Beitrag von Günter »

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marsupilami
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#10

Beitrag von marsupilami »

Günter hat die wesentlichen Punkte herausgearbeitet und ich schließe mich seiner Ansicht an.
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Koelsch
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#11

Beitrag von Koelsch »

Das bestärkt mich in meiner vorläufigen Empfehlung an den eLB - Klappe halten, die Forderungen sind kein Vermögen, sie sind nirgendwo gegenüber dem JC zu erwähnen. Auch in den zitierten FH tauchen Forderungen nur auf in der Anlage 1 als Forderungen gegen den eLB, die bei der Bewertung von Immobilien zu berücksichtigen wären. Forderungen des eLB gegen Dritte aber tauchen nicht auf.

Offenbar hat die BA "ganz früher" die Ansicht vertreten, Forderungen seien Vermögen, diese Ansicht aber wurde spätestens zum August 2006 korrigiert und an der korrigierten Auffassung hält man bis heute fest
mb_alg2_grundsicherung.pdf
mb_alg2_grundsicherung_März05.pdf
mb_alg2_grundsicherung_Aug06.pdf
mb_alg2_grundsicherung_Nov18.pdf
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#12

Beitrag von Olivia »

Wenn absehbar ist, dass die Forderung über den BWZ nicht eingetrieben bzw. flüssig gemacht werden kann, ist ALG II sowieso als Zuschuss zu erbringen. Das wäre ein weiteres Argument, dass die Forderung für den Antrag nicht relevant ist.

Handelt es sich um private oder betriebliche Forderungen?
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marsupilami
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#13

Beitrag von marsupilami »

Dann vergiß aber nicht zu erwähnen, dass eLB in evtl. Gesprächen mit JC-SB aufpasst, was er sagt.

Dass er mit Zoff mit dem JC rechnen muss, wenn die irgendwie erfahren, dass ....

Auch in dem Moment, wenn während des Bezuges die eine oder andere Forderung wider Erwarten tatsächlich zu Geld wird, könnte das JC auf die Idee kommen, genauer nachzuprüfen und dann der Vorwurf: falsche Angaben in VM bei Antragstellung im Raume stehen.

Das JC wird eben argumentieren: offene Forderungen fallen unter Sonstiges Vermögen, auch wenn das in der Anlage so explizit nicht aufgeführt ist!
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#14

Beitrag von Olivia »

Dem Gefühl nach gehört das schon in die Anlage VM mit rein, da es sich um einen Vermögensgegenstand ähnlich wie ein Bankguthaben handelt. Dann muss man gucken, ob die Forderung während der nächsten sechs Monate eintreibbar wäre. Wenn ja, dann ALG II als Darlehen bis zum Geldeingang. Wenn nein, dann ALG II als Zuschuss.
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#15

Beitrag von Günter »

Man kann sich auch auf den Standpunkt stellen. Es gilt das heilige Zuflußprinzip.

Wenn ich heute einen Auftrag abschließe und Rechnung stelle (November 18) und die Rechnung wird nicht bezahlt, so dass ich im Januar 19 ALG Antrag stellen muss und dann wird die Rechnung im August 19 bezahlt, dann war der Zufluß im 2.BWZ.

Oder ich beende den Bezug Dez 19 ud die Rechnung wird im Feb 20 bezahlt, dann war ich in 19 hilfebedürftig obwohl ich eine Forderung von 100.000 € mit mir rumgeschleppt habe.
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#16

Beitrag von Olivia »

Das ist richtig. Unter "offener Forderung", die man in der Anlage VM eintragen müsste, würde ich auch nicht (irgendeine auch höhere) Rechnung verstehen, mit deren Geldeingang bald oder später zu rechnen ist. "Offene Forderung", die ggf. aber nicht sicher in die VM mit reingehört, wäre eher ein offener Betrag, bei dem es zu schwereren Zahlungsstörungen gekommen ist und wo der Schuldner aus verschiedenen Gründen nicht zahlt und von Seiten des Gläubigers aus verschiedenen anderen Gründen nicht das Mahnverfahren angestrengt werden kann, soll, darf oder es aus anderen Gründen ausscheidet.

Wichtig wäre eine Unterscheidung, ob es sich um private oder betriebliche Forderungen handelt.

Wenn meinetwegen eine private Forderung der Lottogesellschaft gegenüber besteht, und die den Millionengewinn erst mal noch vier Wochen wegen zerknittertem Spielschein weiter prüfen, ist das was anderes wie eine notleidende Handwerkerrechnung, die beim Gericht liegt und wo nicht mal eine Untätigkeitsklage das Gericht anregen konnte, das Verfahren weiterzuführen. Die Lottoforderung müsste auf jeden Fall mit in die VM mit rein, die Handwerkerrechnung würde ich rauslassen.
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Koelsch
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#17

Beitrag von Koelsch »

Wie ich ja schon andeutete, ich sehe Forderungen, egal ob privat oder betrieblich nicht als "SGB II-Vermögen" an.
Die BA sah es bis 2006 als Vermögen an, dann hat man das Merkblatt korrigiert. Korrekturen macht man üblicherweise, um Fehler auszumerzen, und bis heute bleibt BA bei dieser Meinung. Daraus darf und muss ich als Laie schließen: Forderungen sind kein anzugebendes Vermögen - das der "Buchhalter" Koelsch das für Schwachsinn hält ist irrelevant, denn Koelsch ist nun mal klein Doofi und die hohen Herren der BA sind klug, Weise (auch wenn der inzwischen nicht mehr da ist) und über all die Jahre unfehlbar.

Mit der Argumentation hab ich seinerzeit schon mal beim SG gewonnen (deshalb hab ich die alten Merkblätter noch), da meinte JC ja, wegen "nicht angegebenen Vermögens" alle bisher gezahlten Leistungen zurückfordern zu müssen.
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Re: Gehören Forderungen in die Anlage VM?

#18

Beitrag von Olivia »

Aus den Merkblättern der verschiedenen Jahre geht jedenfalls hervor, dass die Rechtsauffassung bezüglich Forderungen so weit geändert wurde, dass man nicht nur die internen Weisungen angepasst hat, sondern auch die Kundenbroschüren.
Koelsch hat geschrieben:Daraus darf und muss ich als Laie schließen: Forderungen sind kein anzugebendes Vermögen
Das sehe ich auch so. Bei Forderungen handelt es sich um eine wacklige Sache. Ich könnte mir vorstellen, dass die BA die früher geltende Rechtsauffassung einfach deswegen aufgegeben hat, weil kaum eine Forderung eintreibbar und somit anrechenbar war. Insofern gehört die Forderung nicht in die Anlage VM mit rein, sondern ist als Zufluss mittels Anlage VÄM bei Geldeingang auf dem Konto zu melden.

Macht irgendwie auch Sinn: als Vermögenswert innerhalb der Anlage VM ergeben Forderungen keinen richtigen Sinn und verursachen nur Mehrarbeit. Wird eine Forderung dagegen in Anlage VÄM bei Geldeingang erfasst, erfolgt je nach Forderungshöhe und Geldeingang die richtige JC-seitige "Verbuchung".
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