LSG FSS - L 3 AS 643/13 - Tragfähigkeit

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Olivia Cole
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Registriert: Mi 15. Mai 2013, 15:56

LSG FSS - L 3 AS 643/13 - Tragfähigkeit

#1

Beitrag von Olivia Cole »

Na endlich hat das ein Gericht mal in dieser Deutlichkeit festgestellt: die sozialrechtliche Tragfähigkeit einer "SGB-II-Unternehmung" beurteilt sich (vollkommen) anders als die Tragfähigkeit einer "freien Gründung" ohne Hilfebedürftigkeit und misst sich allein daran, ob ein positiver Ergebnisbeitrag zur Bedürftigkeitsminderung geleistet wird oder eben nicht. Zusätzlich dann natürlich die weiteren Aussichten, wie es wohl weitergehen wird. In gewisser Hinsicht bietet dieses Urteil einige Ansatzpunkte, wann das Jobcenter - und hier insbesondere die angeschlossenen §16c-Coachingfirmen! - eine Selbständigkeit "mangels Tragfähigkeit" keiner sog. "Abberatung" zuführen dürfen, wenn der Selbständige dies selbst nicht will. Also gut abspeichern und im Hinterkopf behalten.

Aber eben auch (siehe den letzten Absatz des Urteils):
Denn das Arbeitslosengeld II, das der Kläger bezog und das den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst (vgl. § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II), dient, wie sich unter anderem aus der systematischen Stellung der maßgebenden Regelungen in Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II ergibt, der Sicherung des Lebensunterhaltes und nicht der Finanzierung einer beruflichen Tätigkeit. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit einer selbständigen Tätigkeit muss deshalb auf andere Weise erreicht werden als über eine faktische Quersubventionierung durch steuerfinanzierte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
Dies bedeutet, dass man bei zeitweise auftretenden Verlusten des Gewerbes sehr vorsichtig sein muss, wenn man diese Verluste aus dem Regelsatz auffangen will. Zumindest muss man in der Argumentation gegenüber dem Jobcenter sehr genau überlegen, wie man die Verluste zu bezahlen gedenkt. Auf jeden Fall ist es wohl immer besser, bei (vorübergehenden) betrieblichen Verlusten ein betriebliches Darlehen aufzunehmen, dessen Tilgungsraten dann später - wenn die Gewinne wieder da sind - in Ansatz gebracht werden können.

Zweitens bedeutet dies, dass man in der Verwendung des Regelsatzes zumindest aus Sicht dieses LSG nicht ganz frei ist. Eine Verwendung des Regelsatzes zur Finanzierung betrieblicher Verluste ist zumindest mit Vorsicht zu geniessen. Eine interessante Frage wäre, wie es sich verhält, wenn man Ansparungen aus dem Regelsatz und den Freibeträgen zu ebenjenem Zweck der Deckung eventueller Verluste zurücklegt und diese Ersparnisse im Fall der Fälle dann entsprechend einsetzt. Meiner Meinung nach müsste sich dann eine andere Beurteilung ergeben, nämlich dass dies keinesfalls beanstandet werden kann, sondern im Gegenteil vorausschauend und kaufmännisch klug wäre.
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