SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

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Olivia
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SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#1

Beitrag von Olivia »

Das ist ein gutes und richtiges Urteil. Ob es in den höheren Instanzen Bestand hat oder ob es dort mit Einschränkungen versehen wird?
Derartiges würde dazu führen, dass die Vorschriften des SGB II nicht nur für Bedürftige, sondern auch für weite Teile der Bevölkerung gelten würden, die gar nicht unter die Vorschriften des SGB II fallen und nicht bedürftig sind. Eine dergestalt weite Auslegung des SGB II ist jedenfalls mit Artikel 2 Grundgesetz nicht vereinbar.
Ob das Urteil auch gilt für ehemalige Leistungsbezieher, deren erneute Hilfebedürftigkeit absehbar ist? Oder gilt für diese Personen das Grundgesetz nur mit Einschränkung? Gilt das Urteil also eventuell nur für Personen, deren Lebenslauf frei ist von Leistungsbezug? Dann würden wir ein Doppelrecht bekommen je nach Biographie.

Wenn ich mich richtig erinnere, hat doch Marsu einen ähnlich gelagerten Fall zu laufen.
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Koelsch
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#2

Beitrag von Koelsch »

Du meinst, einmal Hartz = immer Hartz. So weit ist es noch nicht bei uns, aber was nicht ist, kann ja :angst:
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Olivia
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#3

Beitrag von Olivia »

Hiess es nicht schon in anderen Urteilen sinngemäss: "Der Bürger hat seinen erneuten Leistungsbezug absehen können und war deshalb gehalten, seinen Geldverbrauch sparsam zu gestalten im Hinblick auf eine künftige erneute Antragstellung." Zum Beispiel nach einer Erbschaft, die jemanden aus dem Leistungsbezug rausgebracht und für einige Monate/wenige Jahre unabhängig vom Jobcenter gemacht hat.
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tigerlaw
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#4

Beitrag von tigerlaw »

Nur zur Information: Diese Kammer hatte bereits Anfang 2005 der Abtrennung des Unterhaltsrechts vom Zivilrecht im SGB-II ("Stiefväterproblematik") die Gefolgschaft verweigert (bis das Gesetz im August 2006 entsprechend geändert wurde) ...

@Olivia: Meine Empfehlung: Verlinke doch auch die konkrete Fundstelle, insbesondere wenn die Veröffentlichung noch neu ist. Dr. Gockel hat das Urteil jedenfalls bis soeben noch nicht auf dem Radar!

Denn dann kann man das Urteil unmittelbar lesen und ist nicht auf eine interpretierende Wiedergabe angewiesen (nichts gegen Dich, aber jede Kürzung KANN zu einer Sinnverfälschung führen ...)

:tiger:
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
Olivia
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#5

Beitrag von Olivia »

:verlegen: Das ist richtig. Ich meine mich ja auch nur erinnert zu haben, in der Hoffnung, dass jemand anders mich widerlegt oder mit einer Fundstelle bestätigt.
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tigerlaw
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#6

Beitrag von tigerlaw »

Sorry, Olivia, in den letzten Minuten ist Traffic auf so vielen Fäden, dass ich den Beitrag von Koelsch zu diesem Urteil noch nicht gesehen hatte.

"Ich nehme alles zurück, was ich gegessen und getrunken habe" ... :mrgreen2:

Edit: Jetzt habe ich die Leitsätze auch selber gelesen:

M.E. "ein Urteil zur rechten Zeit", nämlich genau rechtzeitig zu den Beratungen des Rechts"vereinfachungs"gesetzes!!
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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marsupilami
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#7

Beitrag von marsupilami »

Und wie darf ich dann die Entscheidung des LSG Stuttgart einordnen?
Wer das eigene Vermögen verjubelt, kann von den Leistungen der Grundsicherung im Alter ausgeschlossen werden. Erhält er statt dessen vom Sozialamt Unterstützung, muss diese möglicherweise zurückgezahlt werden und die Forderung kann im Todesfall des Hilfebedürftigen auf die Erben übergehen.
Immerhin hat die Guddste ~ 2.200 € pro Monat "verbraten"!

http://www.hartziv.org/news/20150121-ha ... erung.html
Signatur?
Muss das sein?
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Koelsch
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#8

Beitrag von Koelsch »

Das ist doch normal, die Gerichte entscheiden unterschiedlich. Da kann man eben nur sagen, jede Entscheidung ist eine Argumentationshilfe - und da nutzt man selbst natürlich die Entscheidungen, die einem am besten passen.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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Günter
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#9

Beitrag von Günter »

marsupilami hat geschrieben:Und wie darf ich dann die Entscheidung des LSG Stuttgart einordnen?
Wer das eigene Vermögen verjubelt, kann von den Leistungen der Grundsicherung im Alter ausgeschlossen werden. Erhält er statt dessen vom Sozialamt Unterstützung, muss diese möglicherweise zurückgezahlt werden und die Forderung kann im Todesfall des Hilfebedürftigen auf die Erben übergehen.
Immerhin hat die Guddste ~ 2.200 € pro Monat "verbraten"!

http://www.hartziv.org/news/20150121-ha ... erung.html
Schon mal drüber nachgedacht, dass es sich um ein schwäbisches Gericht handelt? An richtigen anderen Gerichten wird anders geurteilt.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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benedetto
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Re: SG D - S 35 AS 257/15 - verschwenderischer Lebenswandel

#10

Beitrag von benedetto »

Die Entscheidung Sozialgericht Düsseldorf S 35 AS 257/15 Gerichtsbescheid

vom 31.08.2015 ist in der SGB-BRD-Datenbank zu finden:

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/index.php

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/es ... &id=183155

"Der Kläger ist 1977 geboren. Er leidet an einem Asperger-Syndrom. Im Jahre 2010 verkaufte der Kläger eine Eigentumswohnung zum Preis von 136.000,- EUR. Unter dem 05.04.2012 stellte er einen Erstantrag auf Leistungen nach dem SGB II und gab an nur noch über einen Restbetrag in Höhe von 4.000,- EUR zu verfügen. Weiter gab der Kläger an, er habe von den 136.000,- EUR, 40.000,- EUR für die Einrichtung seiner Mietwohnung verbraucht. Den Rest des Geldes habe er im Laufe der Zeit ausgegeben.

Mit Bescheid vom 26.09.2013 stellte die Beklagte eine Ersatzpflicht des Klägers nach § 34 SGB II mit der Begründung fest, der Kläger habe seine Bedürftigkeit grob fahrlässig herbeigeführt, indem er das ihm zur Verfügung stehende Geld in übermäßiger Weise vermindert habe.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und führte aus, er sei gesundheitlich nicht in der Lage mit Geld umzugehen....

Es kann zunächst einmal dahin stehen, ob der angefochtene Bescheid nicht schon deshalb rechtswidrig ist, weil es sich lediglich um einen Feststellungsbescheid handelt, indem ein konkreter Ersatzanspruch nicht geltend gemacht wird. Darüber hinaus kann auch dahin stehen, ob die in der vorgenannten Vorschrift aufgeführte Vorsätzlichkeit oder grobe Fahrlässigkeit beim Kläger schon deswegen nicht vorliegt, weil dieser an einem Asperger-Syndrom leidet und deswegen gar nicht schuldhaft handeln konnte. Denn das dem Kläger von der Beklagten vorgeworfene Verhalten eines "luxuriösen Lebensstils" erfüllt die Voraussetzungen des § 34 SGB II in keiner denkbaren Konstellation. § 34 SGB II ist ein deliktähnlicher Ausnahmetatbestand für Sachverhalte, in denen ein innerer Zusammenhang zwischen der Herbeiführung der Bedürftigkeit und der Zahlung von Leistungen an den Kläger steht...

Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger in dem Zeitraum, indem er den von der Beklagten aufgeführten "luxuriösen Lebensstil" gepflegt haben soll, nicht bedürftig war und deswegen grundsätzlich berechtigt war, mit seinem Vermögen nach eigenem Gutdünken umzugehen..."
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