LSG Nds-Bremen, L 11 AS 474/17, U. v. 26.02.2019, Anspruch auf H-4-Leistungen bei Haftunterbrechung

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Koelsch
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LSG Nds-Bremen, L 11 AS 474/17, U. v. 26.02.2019, Anspruch auf H-4-Leistungen bei Haftunterbrechung

#1

Beitrag von Koelsch »

Dazu http://www.alg-ratgeber.de/viewtopic.ph ... e2#p512716 auch

Leitsätze von Dr. Manfred Hammel - Caritasverband Stuttgart (erhielt ich per Mail)

Während einer 21tägigen Haftunterbrechung nach einer Außervollzugsetzung
des Haftbefehls zum Zwecke der Inanspruchnahme einer stationären
Krankenbehandlung außerhalb des Strafvollzugs sowie einer stationären
Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation ist eine Hilfebedürftigkeit
nach § 9 Abs. 1 SGB II, wenn der Antragsteller während dieses Zeitraums
über kein Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) verfügt, zu bejahen.

Bei der vom Krankenhaus bzw. der Rehabilitationsklinik für den
Antragsteller kostenfrei zur Verfügung gestellten Vollverpflegung
handelt es sich um keine Einnahme in Geld und damit um kein Einkommen im
Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Mangels entsprechender Rechtsgrundlage und angesichts des
bedarfsdeckenden sowie pauschalierenden Charakters des Regelbedarfs
gemäß § 20 SGB II führt die im Krankenhaus und in der
Rehabilitationsklinik erhaltene Vollverpflegung zu keinem Wegfall des
Leistungsanspruchs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit den
§§ 19 ff. SGB II.

Im SGB II ist keine individuelle Bedarfsermittlung bzw. abweichende
Bestimmung der Höhe des Regelbedarfs vorgesehen.
Eine Erwerbsfähigkeit entsprechend § 8 Abs. 1 SGB II ist dann zu
verneinen, wenn bereits bei Beginn der stationären Behandlungsphase
gesichert davon ausgegangen werden kann, dass mit einer
Arbeitsunfähigkeit von länger als sechs Monaten zu rechnen ist.

Das SGB II kennt keine Mindestgrenze der Hilfebedürftigkeit. Auch eine
nur für einen Zeitraum von drei Wochen bestehende Hilfebedürftigkeit
begründet einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II.

Bei einem nur dreiwöchigen Aufenthalt in (Rehabilitations-) Kliniken,
dem von vornherein nicht der Plan einer wesentlich längeren
Behandlungsdauer zugrunde lag, greift der aus § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II
hervorgehende Anspruchsausschluss nicht (§ 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II).

Es kann hier auch keine Addition der Zeiten der Inhaftierung (als
Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II) mit den Zeiten der
Klinikaufenthalte (als Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II)
vertreten werden.

Die Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II bzw. § 7 Abs. 4 Satz
2 SGB II sind jeweils getrennt zu betrachten.

Bei einer Unterbrechung der Freiheitsstrafe wird mit Wirkung der
Aufnahme in die klinische Versorgung gemäß § 455 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
StPO der Strafvollzug in der Weise unterbrochen, dass die Zeit dieses
stationären Aufenthalts nicht auf den Freiheitsentzug angerechnet wird.
Während dieser Behandlungsphase greift deshalb der Leistungsausschluss
nach § 7 Abs. 4 Satz 2 SGB II nicht.

Wenn es bei einem Straftäter an jeglichem Anknüpfungspunkt für die
Aufrechterhaltung eines gewöhnlichen Aufenthaltsortes im Sinne des § 36
Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I nach dem
Eintritt einer langjährigen Haftstrafe fehlt, ist der Ort, in dem sich
die JVA befindet, als der für die Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Satz 1
SGB II maßgebliche gewöhnliche Aufenthaltsort aufzufassen. Dies gilt
gerade dann, wenn von vornherein feststeht, dass der Strafvollzug
unmittelbar nach dem Abschluss der notwendigen stationären
Behandlungsphase dort wieder fortgesetzt wird.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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