LSG NRW - L 19 AS 616/18 B - Auslegung eines Bescheids

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Koelsch
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LSG NRW - L 19 AS 616/18 B - Auslegung eines Bescheids

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Beitrag von Koelsch »

Orientierungssatz RA Lars Schulte- Bräucker

1. Auslegung eines Bescheides nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat, vgl. BSG Urteil vom 06.04.2011, B 4 AS 119/10 R.

2. Bleiben bei einer Auslegung der Verfügungssätze nach dem Empfängerhorizont irgendwelche Zweifel darüber, ob und inwieweiteine vorläufige Bewilligung vorliegt, muss grundsätzlich von einer endgültigen Bewilligung ausgegangen werden.

3. Eine abschließende Entscheidung über Leistungen ersetzt, auch wenn sie versehentlich erfolgte, die vorläufige Entscheidung und wird nach §§ 86, 96 SGG Gegenstand des laufenden Verfahrens, vgl. Urteil des BSG vom 05.07.2011, B 14 AS 36/16 R.

4. § 48 SGB X ist auch auf anfänglich rechtswidrige Dauerverwaltungsakte anwendbar, wenn sich die Verhältnisse nach ihrem Erlass ändern.
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5. § 45 SGB X sperrt die Aufhebung wegen einer nachträglichen Änderung in jenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, auf denen die Rechtswidrigkeit nicht beruht, nicht, vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2013, B 4 AS 59/12 R.
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6. Eine Anhörung kann entfallen, wenn die Klägerin über diesen Einkommenszufluss in eigener Person Kenntnis hatte, vgl. BSG, Urteile vom 04.06.14, B 14 AS 2/13 R und vom 21.02.2013, B 10 EG 12/12.

7. Das sogenannte Nachschieben von Gründen bzw. Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage ist zulässig, wenn der VA nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt und die Rechtsverteidigung des Betroffenen infolgedessen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert werden kann.Eine solche Wesensänderung wird angenommen, wenn dieser auf einer grundlegend abweichenden Lebenssachverhalt oder einer abweichenden und anderem Zweck dienenden Rechtsgrundlage gestützt wird, vgl. BSG Urteile vom 28.09.2017, B 3 KS 3/15 R und vom 07.04.2016, B 5 R 26/15 R und vom 25.06.2015, B 14 AS 30/14 R.

8. Unter dem Erlass eines Verwaltungsaktes ist nicht der Zeitpunkt der Erstellung des Bescheidesdurch die Verwaltung sondern der Zeitpunkt des Wirksamwerdens gem. § 39 I SGB X zu verstehen, vgl. BSG, Urteil vom 04.06.2014, B 14 AS 2/13 R.

9. Für den Fall, dass sich der Beklagte auf die Bekanntgabefiktion des § 37 II 1 SGB X beruft, verlangt die Anwendbarkeit dieser Regelung, dass der Beklagte nachweisen kann, an welchem Tag er den Bescheid Post aufgegeben hat, vg. BSG,Urteil vom 28.11.2006, B 2 U 33/05 R.

10.Wird hingegen mit einem „ Ab- Vermerk“lediglich dokumentiert, an welchem Tag der Bescheid den Zuständigkeitsbereich verlassen hat, wird dies den Anforderungen des § 37 II 1 SGB X nicht gerecht, vgl. auch LSG NRW, Beschluss vom 24.04.2014, L 6 AS 2145/12 B.

Rechtsanwalt Lars Schulte-Bräucker
Kalthofer Str. 27, 58640 Iserlohn-Kalthof

Quelle: Tachles Rechtsprechungsticker https://tacheles-sozialhilfe.de/startse ... /d/n/2397/

Urteil - https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/es ... &id=201796
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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