SG Köln - S 32 AS 290/10 ER zu ALG II bei stationärer Unterb

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Emmaly
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SG Köln - S 32 AS 290/10 ER zu ALG II bei stationärer Unterb

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Beitrag von Emmaly »

Sozialgericht Köln

Beschluss vom 23.02.2010 (nicht rechtskräftig)



Sozialgericht Köln S 32 AS 290/10 ER



Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für die Zeit vom 25.01.2010 bis 26.05.2010 Regelleistungen in Höhe von monatlich 359,00 EUR zu gewähren. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.


Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.

Der Antragsteller lebte bis April 2008 in Viersen bei seiner inzwischen getrennt lebenden Lebensgefährtin. Am 23.04.2008 wurde er in der JVA Remscheid inhaftiert. Mit Bescheid vom 13.08.2009 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung dem Antragsteller eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme für die Dauer von 26 Wochen in der Eschenberg-Wildpark-Klinik in Hennef. Am 25.11.2009 wurde der Antragsteller unter Auszahlung eines Überbrückungsgeldes in Höhe von 434,46 EUR aus der Haft in der JVA Remscheid entlassen und in der Eschenberg-Wildpark-Klinik in Hennef zur stationären Rehabilitation aufgenommen.

Am 30.11.2009 stellte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei gab er an, vom 25.11.2009 bis 26.05.2010 in einer stationären Einrichtung untergebracht zu sein. Mit Bescheid vom 10.12.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag unter Hinweis auf § 7 Abs. 4 SGB II ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 19.12.2009 wies die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 11.01.2010 als unbegründet zurück, da ein Leistungsanspruch nach dem SGB II wegen einer über sechs Monate dauernden Unterbringung in einer stationären Einrichtung ausgeschlossen sei.

Am 25.01.2010 hat der Antragsteller Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Antragsteller verfüge - nachdem er das nach der Haftentlassung erhaltene Überbrückungsgeld für Kleidung und Sanitärartikel ausgegeben habe - über keinerlei Einkommen oder Vermögen. Er könne angesichts der voraussichtlichen Dauer des Hauptsacheverfahrens nicht darauf verwiesen werden, dass er in der Klinik kostenlos Unterkunft und Verpflegung erhalte. Er sei dringend darauf angewiesen, sich in regelmäßigen Abständen Kleidung, Wasch- und Hygieneartikel zu beschaffen. Die Benutzung der von der Klinik gestellten Waschmaschinen sei ebenso kostenpflichtig, wie der Kauf zusätzlicher Getränke jenseits der Mahlzeiten. Außerdem benötige er Geld, um mit seinen Kindern telefonieren zu können. Auch Gruppenaktivitäten im Rahmen der Therapie seien kostenpflichtig. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass ein Anspruch auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bestehe. Insbesondere stehe dem nicht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II entgegen, da die Therapiedauer vorliegend weniger als sechs Monate betrage. Dabei sei, da die Anzahl der Tage pro Monat variiere, schon aus Gründen der Gleichbehandlung nicht von einer Berechnung in Monaten, sondern von einer Berechnung in Tagen oder Wochen auszugehen. Dem Antragsteller sei eine stationäre Therapie von 26 Wochen, also insgesamt 182 Tagen, bewilligt worden. Da dem Jahr 365 Tage und sechs Monaten mithin 182,5 Tage entsprächen, betrage die voraussichtliche Aufenthaltsdauer weniger als sechs Monate. Entsprechendes gelte bei einer Berechnung in Wochen, da sich das Jahr in 52 Wochen plus einen weiteren Tag aufteile.

Der Antragsteller beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig ab dem Tag der Antragstellung beim Sozialgericht Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass ein Leistungsanspruch nach § 7 Abs. 4 SGB II ausgeschlossen sei, da der Aufenthalt in der Eschenberg-Wildpark-Klinik voraussichtlich nicht weniger als sechs Monate betrage. Dabei sei nach § 188 Abs. 2 BGB eine nach Monaten bemessene Frist auch nach Monaten zu berechnen. Prognosezeitpunkt sei die Aufnahme in die Klinik.

Die Beigeladene teilt die Auffassung der Antragsgegnerin zur Berechnung der Frist, ist aber der Auffassung, dass als maßgeblicher Prognosezeitpunkt vorliegend nicht auf den Tag der Aufnahme in die Eschenberg-Wildpark-Klinik, sondern auf den Tag der Antragstellung abzustellen sei. Davon ausgehend betrage der Aufenthalt des Antragstellers weniger als sechs Monate.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen, die Gegenstand des Verfahrens gewesen ist.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin auf die Gewährung monatlicher Regelleistungen in Höhe von 359,00 EUR gemäß § 20 Abs. 1 SGB II glaubhaft gemacht.

Die Antragsgegnerin ist bei einer im Rahmen eines Eilverfahrens vorzunehmenden summarischen Prüfung des Sachverhalts gemäß § 36 Abs. 1 Satz 3 SGB II für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zuständig. Danach werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende durch den jeweiligen Träger erbracht, in dessen Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen tatsächlichen Aufenthalt hat, wenn ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht feststellbar ist. Gemäß § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorrübergehend verweilt. Bei einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung kann ein gewöhnlicher Aufenthalt am Ort der Einrichtung begründet werden, wenn subjektive und objektive Anhaltspunkte dafür sprechen, dass der bisherige Aufenthalt aufgegeben worden ist. Allerdings muss der Aufenthalt in der Einrichtung grundsätzlich zukunftsoffen sein, was insbesondere in den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II fraglich sein kann, da die Unterbringung höchstens sechs Monate betragen darf. Wurde der bisherige gewöhnliche Aufenthalt aufgegeben und ist mangels Zukunftsoffenheit ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt am Ort der stationären Einrichtung nicht begründet, so ist der Grundsicherungsträger am tatsächlichen Aufenthaltsort zuständig (vgl. Link, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 36 Rn. 25a). So liegt es hier. Der Antragsteller hielt sich bis zu seiner Inhaftierung im April 2008 in Viersen bei seiner damaligen Lebensgefährtin auf, auch wenn er dort nach Auskunft der Beigeladenen niemals mit Wohnsitz gemeldet war. Anschließend war der Antragsteller in der JVA Remscheid inhaftiert bis er im November 2009 zur Entzugstherapie in der Eschenberg-Wildpark-Klinik in Hennef aufgenommen wurde. Damit hält sich der Antragsteller seit nunmehr annähernd zwei Jahren nicht mehr am früheren Ort des gewöhnlichen Aufenthalts auf. Außerdem leben der Antragsteller und seine damalige Lebensgefährtin nach eigenen Angaben inzwischen getrennt. Seine Lebensgefährtin habe alle persönlichen Gegenstände des Antragstellers entsorgt. Der Aufenthalt in der Eschenberg-Wildpark-Klinik in Hennef ist nur bis zum 26.05.2010 geplant, so dass auch nicht von einem zukunftsoffenen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin ausgegangen werden kann.

Der Antragsteller ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II leistungsberechtigt. Insbesondere hat der Antragsteller seine Hilfebedürftigkeit glaubhaft gemacht. Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Der Antragsteller hat im Wege der eidesstattlichen Versicherung erklärt, alleinstehend zu sein und über keinerlei Einkünfte oder Vermögen zu verfügen. Das nach der Haftentlassung am 25.11.2009 gezahlte Überbrückungsgeld in Höhe von 434,46 EUR habe er bereits für die Anschaffung einer Erstausstattung für Hygieneartikel und Kleidung ausgegeben, da seine ehemalige Lebensgefährtin seine persönliche Habe entsorgt habe. Auch über eine Krankenversicherung verfüge er nicht. Er leide jedoch an Diabetes und sei auf regelmäßige medikamentöse Versorgung angewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht der Wahrheit entsprechen, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen.

Der Anordnungsanspruch ist schließlich nicht aufgrund des Aufenthalts des Antragstellers in einer stationären Therapieeinrichtung durch § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II ausgeschlossen, da vorliegend die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II greift. Danach erhält abweichend von Satz 1 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus oder einer sonstigen Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahme im Sinne von § 107 SGB V untergebracht ist. Dies ist vorliegend der Fall.

Die Antragsgegnerin hat insoweit zunächst zutreffend darauf abgestellt, dass die von § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II vorausgesetzte Dauer von weniger als sechs Monaten überschritten ist, wenn hinsichtlich des Fristbeginns auf die Aufnahme in die Therapieeinrichtung am 25.11.2009 abzustellen wäre. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist das Fristende nämlich gemäß §§ 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II, 26 Abs. 1 SGB X nach § 188 Abs. 2 BGB und damit nicht nach Tagen oder Wochen, sondern nach Monaten zu berechnen. Danach endete eine von der Aufnahme in die Eschenberg-Wildpark-Klinik am 25.11.2006 an gerechnete sechsmonatige Frist am 25.05.2010. Eine darin liegende Ungleichbehandlung - weil nicht alle Monate gleich an Tagen sind - wäre als sachlich gerechtfertigte Vereinfachung der Fristberechnung wie bei allen materiellrechtlichen oder prozessualen Monatsfristen durch den Antragsteller hinzunehmen.

Allerdings ist nach Auffassung der Kammer vorliegend als maßgeblicher Prognosezeitpunkt nicht auf die Aufnahme in die Eschenberg-Wildpark-Klinik am 25.11.2006, sondern auf die Antragstellung am 30.11.2009 abzustellen. Von diesem Zeitpunkt ausgehend dauert der Aufenthalt des Antragstellers voraussichtlich weniger als sechs Monate, da die sechsmonatige Frist am 30.05.2009 verstreichen würde, der Antragsteller aber voraussichtlich schon am 26.05.2010 entlassen wird. Ob bei der Anwendung von § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II auf den Tag der Aufnahme in die Einrichtung oder auf den Zeitpunkt der Antragstellung als maßgeblicher Prognosezeitpunkt abzustellen ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum nicht abschließend geklärt.

Das BSG hat durch Urteil vom 06.09.2007, Az. B 14/7b AS 60/06 R, zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (BGBl. I S. 1706) mit Wirkung zum 01.08.2006 entschieden, dass als maßgeblicher Prognosezeitpunkt zunächst auf den Tag der Aufnahme in das Krankenhaus bzw. die Therapieeinrichtung abzustellen ist, darüber hinaus aber offen gelassen, ob der Prognosezeitraum durch eine gezielte Antragstellung auch nach hinten verschoben werden kann. Der entscheidende Senat teilte zwar die Bedenken, dass einem solchen beliebigen Verschieben des Prognosezeitpunkts ein gewisses Missbrauchspotential innewohne. Allerdings entspreche es der Grundintention des SGB II, jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Erwerbsarbeit zu integrieren. Gehe der Leistungsausschluss durch Unterbringung in einer Einrichtung gemäß § 7 Abs. 4 SGB II absehbar zeitlich zu Ende, so entspreche es dem Aktualitätsprinzip des SGB II, den Prognosezeitraum grundsätzlich ab dem Zeitpunkt beginnen zu lassen, zu dem der Antragsteller Leistungen nach dem SGB II begehre und damit zugleich anzeige, dass er Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gemäß §§ 14 ff. SGB II erhalten möchte. Diese Erwägungen sind im Schrifttum teils positiv aufgegriffen und auch auf die aktuelle Fassung von § 7 Abs. 4 SGB II übertragen worden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die von § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II verlangte Prognoseentscheidung sei zwar im Grundsatz der Tag der Aufnahme in das Krankenhaus bzw. die Therapieeinrichtung. Allerdings solle bei einem länger als sechs Monate dauernden Aufenthalt in einer Einrichtung bei einer späteren Antragstellung dem Charakter einer Prognoseentscheidung entsprechend nur noch auf die prognostizierte Restzeit in der Einrichtung abzustellen sein (Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 7 Rn. 67). Die Gegenmeinung stellt maßgeblich auf das bereits durch das BSG problematisierte vermeintliche Missbrauchspotential einer solchen Handhabung ab und verweist für die Interpretation von § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II jedenfalls ab Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 (a.a.O.) auf die entsprechende Gesetzesbegründung, nach der die Prognosentscheidung zu Beginn des Aufenthalts im Krankenhaus zu treffen sei (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2008, Az. L 5 AS 31/08 unter Verweis auf BT-Drs. 16/1410 S. 20). Vielfach findet sich keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit der hier zu entscheidenen Frage (vgl. Hackethal, in: jurisPK SGB II, § 7 Rn. 52, Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 Rn. 67). Auch das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Frage im Beschluss vom 20.02.2008, Az. L 7 B 274/07 AS, nicht entscheiden müssen, da der Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung dort mit dem Zeitpunkt der Antragstellung zusammenfiel.

Nach Auffassung der Kammer ist jedenfalls dann, wenn die Aufnahme in ein Krankenhaus oder eine sonstige Therapieeinrichtung nicht während des laufenden Leistungsbezugs nach dem SGB II erfolgt, sondern der erstmaligen Beantragung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorausgeht, auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Die Kammer macht sich dabei zunächst die Erwägungen des Bundessozialgerichts (a.a.O.) zu eigen, nach denen der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 1 in erster Linie vor dem Hintergrund der in § 1 SGB II niedergelegten Grundintention des SGB II, erwerbsfähige Hilfebedürftige in den Arbeitsmarkt zu integrieren, auszulegen ist. Soweit § 7 Abs. 4 SGB II Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, trotz grundsätzlich bestehender Erwerbsfähigkeit vom Leistungsbezug ausschließt und damit zugleich dem Sozialhilfebezug nach dem SGB XII zuweist, geschieht dies, weil die Betroffenen einer Integration in der Arbeitsmarkt für die Dauer ihrer Unterbringung nicht zur Verfügung stehen. Im Schrifttum wird daher gelegentlich von einer Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit gesprochen (vgl. Spellbrink, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 7 Rn. 60). Dieser Konzeption entsprechend gilt der Leistungsauschluss nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB II dann nicht, wenn der Betroffene trotz Unterbringung in einer stationären Einrichtung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich arbeiten kann. Auch die Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II ist vor diesem Hintergrund zu sehen, wenn sie den Leistungsausschluss ausnahmsweise suspendiert, wenn der Betroffene voraussichtlich weniger als sechs Monate stationär untergebracht ist. In diesem Fall machte eine Überführung in den Sozialhilfebezug nach dem SGB XII nur wenig Sinn, weil der Betroffene in absehbarer Zeit wieder in den Leistungsbezug nach dem SGB II aufzunehmen wäre. Verlangt wird damit eine rein zukunftsgerichtete Prognoseentscheidung auf der Grundlage eines jeweils aktuellen Informationstandes. Der Prognosezeitpunkt dürfte dabei von den jeweiligen Umständen anhängen. Für den Regelfall eines laufenden Leistungsbezugs nach dem SGB II dürfte als Prognosezeitpunkt regelmäßig auf den Tag der Aufnahme in das Krankenhaus oder die Therapieeinrichtung abzustellen sein, da die Aufnahme in eine Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II hier Anlass gibt, eine Prognoseentscheidung über die künftige Verfügbarkeit des Leistungsempfängers zur Integration in den Arbeitsmarkt zu treffen. Wenn dagegen erstmals Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende beantragt werden, kann sich auch die Frage nach der künftigen Verfügbarkeit für Integrationsmaßnahmen frühstens zu diesem Zeitpunkt stellen. Eine Prognoseentscheidung muss dann dem Aktualitätsprinzip entsprechend als Prognosezeitpunkt auf den Zeitpunkt der Antragstellung abstellen, so dass bei einem bereits begonnenen Aufenthalt in einer Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 4 SGB II nur die voraussichtliche Restdauer zu berücksichtigen ist. Die Einbeziehung zurückliegender Aufenthaltszeiten widerspräche dem zukunftsgerichteten Charakter der zu treffenden Prognosentscheidung.

Der durch das BSG (a.a.O.) entwickelte Ansatz für die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006 geltende Fassung von § 7 Abs. 4 SGB II ist nach Auffassung der Kammer auch auf die aktuelle Gesetzeslage übertragbar. Auch nach aktueller Gesetzeslage ist nach § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II ist eine Prognoseentscheidung über die voraussichtliche Dauer des Aufenthalts in einem Krankenhaus oder einer sonstigen Therapieeinrichtung zu treffen. Der Gesetzgeber hat die Regelung in § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II gerade nicht so formuliert, so dass ein Leistungsauschluss immer dann greift, wenn der Aufenthalt tatsächlich länger sechs Monate dauert. Auch aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung von § 7 Abs. 4 SGB II lässt sich nicht zwingend Gegenteiliges schließen. Soweit dort ausgeführt wird, dass eine Prognoseentscheidung zu Beginn des Aufenthaltes im Krankenhaus zu treffen sei (BT-Drs. 16/1410 S. 20), mag der Gesetzgeber dabei allein den Regelfall eines Krankenaufenthaltes während des laufenden Leistungsbezugs nach dem SGB II vor Augen gehabt haben, indem es auch nach der hier vertretenen Auffassung als Prognosezeitpunkt regelmäßig auf den Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung ankommen dürfte.

Schließlich überzeugt die Kammer auch das der hier vertretenen Auffassung entgegengehaltene Missbrauchspotential nicht. Richtig ist zwar, dass der Betroffene hiernach durch eine geschickte Wahl des Antragszeitpunkts, einen aufgrund der pauschalierten Regelsätze gegenüber § 35 Abs. 2 SGB XII attraktiveren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zielgerichtet herbeiführen kann. Indes wird einem Missbrauch durch die Regelung des § 37 Abs. 2 SGB II vorgebeugt, wonach Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht werden. Damit steht derjenige, der sich zwar tatsächlich länger als sechs Monate in einem Krankenhaus oder einer sonstigen Therapieeinrichtung aufhält, seinen Antrag aber erst dann stellt, wenn absehbar ist, dass der Aufenthalt in weniger als sechs Monaten zu Ende geht, nicht besser, als derjenige der von vornherein nur für einen voraussichtlich weniger als sechs Monate dauernden Aufenthalt in ein Krankenhaus oder eine sonstige Therapieeinrichtung aufgenommen wird.

In der Sache hat der Antragsteller gemäß § 20 Abs. 1 SGB II Anspruch auf monatliche Regelleistungen in Höhe von 359,00 EUR. Dies bedingt zugleich die Übernahme der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V. Ein Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II besteht hingegen nicht, da diese nur insoweit übernommen werden, als sie tatsächlich anfallen. Unterkunfts- und Heizungskosten hat der Antragsteller für die Zeit seiner Unterbringung in der Eschenberg-Wildpark-Klinik nicht.

Der Antragsteller hat schließlich auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Anordnungsgrund kann nur die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sein. Entscheidend ist insoweit, ob es nach den Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Ein wesentlicher Nachteil liegt vor, wenn der Antragsteller konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht ist oder ihm sogar die Vernichtung der Lebensgrundlage droht. Auch erhebliche wirtschaftliche Nachteile, die entstehen, wenn das Ergebnis eines langwierigen Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müsste, können ausreichen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.02.2008, Az. L 9 B 21/08 AS ER). Der Antragsteller ist in diesem Sinne zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz auf eine vorläufige Bewilligung von Leistungen angewiesen. Dem Antragsteller wird für die Dauer seiner Unterbringung zwar Unterkunft und Verpflegung mit drei Mahlzeiten am Tag gestellt. Darüber hinaus ist der Antragsteller jedoch insbesondere für die Ausstattung mit Kleidung, notwendigem Sanitärbedarf, zusätzlichen Getränken, die Nutzung der Gemeinschaftswaschmaschinen und für die kostenpflichtige Teilnahme an therapiebedingten Gruppenaktivitäten auf zusätzliche Hilfe angewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
http://www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb ... sensitive=
LG Emmaly
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