LSG Berlin/Bbrg Umzug in kleine Wohnung L 5 B 2010/08 AS ER

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Günter
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LSG Berlin/Bbrg Umzug in kleine Wohnung L 5 B 2010/08 AS ER

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Beitrag von Günter »

Soweit der Antragsgegner der Ansicht ist, die zu geringe Größe der Wohnung im Ganzen und der Kinderzimmer im Besonderen stehe einer Zusicherung entgegen, ist schon nicht erkennbar, auf welche Rechtsgrundlage er sich stützt. Nach § 22 Abs. 2 SGB II ist der Grundsicherungsträger verpflichtet, eine Zusicherung zu erteilen, wenn die beiden oben genannten Voraussetzungen vorliegen. Für eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung zu Lasten der Antragsteller dürfte kein Raum sein. Der Befürchtung des Antragsgegners, die Antragsteller könnten, weil auch die in Aussicht genommene Wohnung nicht bedarfsdeckend sei, schon bald wieder umziehen wollen oder müssen, kann und ist im Übrigen nicht durch die Versagung der Zusicherung zu begegnen, sondern - soweit erforderlich - im Rahmen der Entscheidung über einen künftigen Antrag auf Umzugsbeihilfe. Ziehen die Antragsteller jetzt in die gewünschte "zu kleine" Wohnung, so fallen (zumindest) für die Dauer des Leistungsbezugs und ihres Verbleibs in der Wohnung unter dem Höchstwert liegende Kosten der Unterkunft an.

Der Umzug ist hier nicht durch den Antragsgegner veranlasst, er ist aber aus anderen Gründen notwendig. Notwendig im Sinne dieser Vorschrift ist dabei nicht jeder Umzug, der im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II erforderlich ist. Es muss nämlich nicht nur der Auszug aus der bisherigen Wohnung erforderlich sein, sondern es muss auch ein Einzug in eine kostenangemessene Wohnung erfolgen. Andernfalls wäre ein Umzug zwar sinnvoll, aber nicht notwendig (vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 98 zu § 22 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn hinsichtlich der Kosten ist die in Aussicht genommene Wohnung, wie oben ausgeführt und im Übrigen auch unstreitig, angemessen. Auch hier gilt, dass die Frage, ob der Antragsgegner die Wohnung für nicht bedarfsgerecht - weil zu klein - hält, nicht von Relevanz ist. Im Übrigen dürften die abstrakten Überlegungen des Antragsgegners zur mangelnden Bedarfsdeckung durch die drei aktuellen Stellungnahmen mit der konkreten Situation der Familie vertrauter Stellen widerlegt sein. Darauf, dass es nicht Aufgabe eines Grundsicherungsträgers ist, seine Vorstellungen von Mindestwohnflächen gegen den erklärten Willen eines Leistungsempfängers, dem möglicherweise das Umfeld wichtiger ist als die Wohnungsgröße, durchzusetzen, braucht an dieser Stelle nicht weiter eingegangen zu werden.

Das Recht der Familie, selbst zu bestimmen, wo und wie sie wohnt, wäre damit in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt.


1. Instanz Sozialgericht Berlin S 117 AS 27185/08 ER 18.09.2008
2. Instanz Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 5 B 2010/08 AS ER 27.10.2008 rechtskräftig
3. Instanz
Sachgebiet Grundsicherung für Arbeitssuchende
Entscheidung Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2008 dahingehend geändert, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, bezüglich der Wohnung S , Berlin, 2. Obergeschoss links, die Erbringung von Leistungen für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen sowie die Übernahme der Umzugskosten und der Mietkaution in Höhe von 1.096,29 Euro zuzusichern. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat den Antragstellern die ihnen entstandenen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller, ein Ehepaar mit einer achtjährigen Tochter und einem sechsjährigen Sohn, stehen bei schwankendem und nicht bedarfsdeckendem Einkommen im ergänzenden Leistungsbezug bei dem Antragsgegner. Sie bewohnen eine 68,60 m² große Dreizimmerwohnung; die beiden Geschwister teilen sich ein Kinderzimmer. Bei dem sechsjährigen Sohn ist wegen Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Er erhält heilpädagogische Einzelfallhilfe/Sozialassistenz und wurde im September 2008 als Integrationskind eingeschult. Bescheinigungen des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin, Jugendamt, vom 7. August 2008, des Zentrums für Kindesentwicklung e.V. vom 24. Juli 2008 und der Diakonie-Sozialstation Kreuzberg vom 22. August 2008 zufolge ist es für seine weitere Entwicklung, aber auch für die seiner Schwester, von großer Bedeutung, dass jedes Kind ein eigenes Zimmer hat.

Im Ergebnis ihrer Suche nach einer größeren und geeigneteren Wohnung im selben Umfeld wurde der Familie seitens der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH mit Schreiben vom 20. Juni 2008 die im Tenor genannte Vierzimmerwohnung angeboten, die in unmittelbarer Nähe der bisherigen Wohnung liegt. Die Wohnung verfügt über ein 22,93 m², ein 17,01 m², ein 9,80 m² und ein 7,50 m² großes Zimmer sowie eine Küche, ein Bad und einen Balkon. In dem bereits genannten Schreiben des Jugendamtes hießt es zu der Wohnung: "Diese ist so geschnitten, dass den behinderungsbedingten Mehrbedarf des Jungen gerecht werden kann. Daher befürworte ich den Umzug in die Wohnung." Im Schreiben der Diakonie-Sozialstation heißt es insoweit: "Die Familie fand jetzt eine für ihre Bedingungen passende Wohnung mit 2 2/2 Zimmern, dadurch könnten beide Kinder getrennt schlafen und die oben beschriebenen Schwierigkeiten könnten gelöst werden. Der Umzug würde eine große Entlastung für alle Familienmitglieder bedeuten." Für die Wohnung ist ausweislich des Angebots eine Gesamtmiete von 596,93 Euro zu zahlen, die sich aus einer Kaltmiete von 365,43 Euro, einer Umlagenvorauszahlung Heizung in Höhe von 83,40 Euro, einer Umlagenvorauszahlung Betriebskosten in Höhe von 124,40 Euro und Kosten für den Aufzug in Höhe von 23,70 Euro zusammensetzt. Eine Kaution ist in Höhe von drei Nettokaltmieten zu leisten.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2008 beantragten die Antragsteller eine Mietgarantie für die in Aussicht genommene Wohnung, die Übernahme der zu leistenden Mietkaution in Höhe von 1.096,29 Euro sowie eine Umzugs-, eine Renovierungs- und eine Einrichtungsbeihilfe. Sie wiesen darauf hin, dass Befürwortungen des Therapiezentrums und der Behindertenhilfe angefordert werden könnten. Ihrem Schreiben fügten die Antragsteller eine Ablichtung des Wohnungsangebots bei. Darin heißt es, es sei beabsichtigt, die Antragsteller voraussichtlich zum 1. Oktober 2008 als Mieter für die Wohnung anzunehmen, Voraussetzung dafür sei die Mietgarantie des Amtes.

Mit Bescheid vom 1. August 2008 lehnte der Antragsgegner die Erteilung einer Zusicherung mit der Begründung ab, bei der Anmietung von neuem Wohnraum sei nicht nur die Höhe der zu entrichtenden Bruttowarmmiete, sondern auch die Wohnungsgröße für die in die neue Wohnung einziehenden Personen hinsichtlich der Angemessenheit zu berücksichtigen. Für einen Vierpersonenhaushalt solle die Wohnungsgröße mindestens 81,25 m² betragen, da ansonsten die Wohnverhältnisse als unzumutbar beengt anzusehen seien. Insoweit entspreche die Wohnung nicht den Angemessenheitskriterien.

Gegen den Bescheid legten die Antragsteller am 8. August 2008 Widerspruch ein und trugen vor, es sei nicht berücksichtigt worden, dass die derzeitige Wohnfläche noch kleiner bzw. beengender sei. Seit Jahren sei dies für den Antragsgegner nicht relevant gewesen und man habe die Wohnverhältnisse nicht als unzumutbar angesehen. Die neue Wohnung sei im Übrigen lediglich um 4 m² zu klein.

Mit Bescheid vom 21. August 2008 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragsteller zurück und führte zur Begründung aus, die von den Antragstellern in Aussicht genommene Wohnung sei zwar hinsichtlich der Höhe der Bruttowarmmiete angemessen. Für einen Vierpersonenhaushalt liege die Grenze insoweit bei 619,- Euro. Die Zusicherung könne aber nicht erteilt werden, weil durch den Bezug der Wohnung die Erforderlichkeit eines Umzugs nicht entfiele. Nach den insoweit heranzuziehenden Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung (AV-Wohnen) bleibe ein Umzug nämlich dann erforderlich, wenn einem Vierpersonenhaushalt nicht mindestens drei Wohnräume mit einer Wohnfläche von insgesamt 65 m² zur Verfügung stünden. Soweit man die der AV-Wohnen insoweit zu entnehmende Mindestgröße der zum Wohnen geeigneten Zimmer von 65 m² auf die allgemeine Wohnfläche, die entgegen der AV-Wohnen Nebenräume wie Küche, Bad und Flur beinhalte, ins Verhältnis setze und hierbei von einem allgemeinen Verhältnis der rein zum Wohnen geeigneten Zimmer zu der Gesamtfläche der Wohnung von grundsätzlich 80 v.H. zu 100 v.H. ausgehe, ergebe sich eine Mindestwohnfläche von vorliegend 81,25 m². Dem vorgelegten Wohnungsangebot sei jedoch lediglich eine Wohnfläche von insgesamt 77,16 m² zu entnehmen, so dass die Mindestwohnfläche im Sinne der AV-Wohnen erheblich unterschritten werde. Ein Umzug bleibe also auch bei Bezug der den Antragstellern angebotenen Wohnung erforderlich. Damit sei das Wohnungsangebot nicht als angemessen zu erachten.

Daraufhin haben die Antragsteller am 4. September 2008 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und den Erlass einer ihrem Begehren entsprechenden einstweiligen Anordnung beantragt. Sie haben vorgetragen, aufgrund der beengten Wohnverhältnisse und insbesondere wegen der Notwendigkeit getrennter Kinderzimmer zeitnah eine geeignetere Wohnung zu benötigen. Die in Aussicht genommene Wohnung entspreche ihrem Bedarf und sei günstig geschnitten. Eine teurere Wohnung wollten sie schon deshalb nicht anmieten, weil sie in naher Zukunft von Transferleistungen unabhängig werden wollten, was nur durch die relativ günstige Miete möglich sein werde. Soweit der Antragsgegner befürchte, sie würden schon bald geltend machen, auch die nun in Aussicht genommene Wohnung sei nicht bedarfsgerecht und ein neuerlicher Umzug erforderlich, versicherten sie, dass bei gleich bleibenden Verhältnissen keine weitere Umzugsförderung unter Berufung auf eine zu geringe Wohnfläche beansprucht werde.

Der Antragsgegner ist bei seiner Auffassung geblieben, dass eine Zusicherung nicht erteilt werden könne, weil ein Umzug in die in Aussicht genommene Wohnung die Erforderlichkeit eines Umzugs nicht beseitigen würde. Die Erklärung der Antragsteller, auf die künftige Erteilung einer weiteren Zusicherung wegen Unterschreitens der angemessen Wohnfläche zu verzichten, sei insoweit nicht zu berücksichtigen, als dann, wenn sich herausstellen sollte, dass der Sohn behinderungsbedingt einen räumlichen Mehrbedarf habe, im Hinblick auf das Kindeswohl auch bei Vorliegen einer Verzichtserklärung eine neue Zusicherung erteilt werden müsse. Um derartige Kosten zu vermeiden, sei es am sinnvollsten, wenn die Antragsteller gleich eine angemessene Wohnung suchten. Soweit die Antragsteller Renovierungskosten begehrten, sei anzumerken, dass Renovierungen grundsätzlich zum Bedarf des täglichen Lebens gehörten und daher aus den Regelsätzen zu zahlen seien. Schließlich könne über den Antrag auf Einrichtungskosten vor Abschluss eines neuen Mietvertrags und Umzugs nicht entschieden werden.

Das Sozialgericht Berlin hat den Antrag mit Beschluss vom 18. September 2008 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die in Aussicht genommene Wohnung liege in Bezug auf die Wohnfläche unterhalb der Grenze des Angemessenen, insbesondere entsprächen die Kinderzimmer nicht dem, was nach den im Land Berlin maßgeblichen Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 - WFB 1990 - vom 16. Juli 1990 (ABl. 1990, 1379 ff) in der Fassung der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 - VVÄndWFB 1990 - vom 13. Dezember 1992 (ABl. 1993, 98 f) sowie den Arbeitshinweisen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz i.V.m. § 17 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (Mitteilung Nr. 8/2004) als angemessen anzusehen sei: Danach dürften Kinderzimmer eine Fläche von 12 m² nicht unterschreiten. In der Wohnung, für welche die Antragsteller eine Zusicherung begehrten, seien die Kinderzimmer so klein, dass die erforderliche Möblierung mit zumindest Bett, Schrank, Schreibtisch und Stuhl nicht möglich sei. Soweit die Antragsteller auch Mittel für eine durchschnittliche Renovierung der derzeit innegehabten Wohnung begehrten, fehle es bereits am Anordnungsgrund, da bei derzeit nicht in Aussicht stehendem Umzug die erforderliche Eilbedürftigkeit nicht vorliege.

Gegen den ihnen am 24. September 2008 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 6. Oktober 2008 Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, nach Auffassung der mit den konkreten Verhältnissen der Familie vertrauten Institutionen, nämlich des Jugendamtes Friedrichshain-Kreuzberg und der Diakonie-Sozialstation Kreuzberg, stelle die gewünschte Wohnung eine wesentliche Verbesserung des gegenwärtigen Zustands dar und sei darüber hinaus auch für die konkreten Bedürfnisse, insbesondere die des Sohnes, ausreichend. Die Wohnung sei danach so geschnitten, dass sie dem behinderungsbedingten Mehrbedarf des Jungen gerecht werden könne. Die Hausverwaltung habe zugesagt, dass die Wohnung für sie reserviert und noch bis Ende des Monats Oktober 2008 verfügbar sei. Im Übrigen versicherten sie nochmals, bei gleich bleibenden Verhältnissen eine weitere Umzugsförderung, die sich auf die angeblich zu kleine Wohnfläche stütze, nicht zu beanspruchen.

Der Antragsgegner hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und trägt vor, er bestreite nicht, dass der Umzug erforderlich sei. Die Zusicherung könne aber bezüglich der in Aussicht genommenen Wohnung nicht erteilt werden, da auch sie keinen ausreichenden Wohnraum für die Familie biete. Zwar möge sie über ein Zimmer mehr verfügen, jedoch seien zwei Zimmer lediglich halbe Zimmer, so dass die Antragsteller im Endeffekt jederzeit erneut einen Umzugsantrag stellen könnten, der bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen positiv beschieden werden müsse, weil der Umzug aufgrund unzureichender Wohnverhältnisse erforderlich sei. Hieran ändere auch die erneut abgegebene Erklärung, bei gleich bleibenden Verhältnissen künftig auf Umzugskostenhilfe zu verzichten, nichts, denn eine solche Erklärung sei zum einen jederzeit widerruflich und ändere zum anderen nichts daran, dass neben der Umzugskostenhilfe im Falle eines Umzugs gegebenenfalls weitere, höhere Unterkunftskosten zu übernehmen wären.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Nr. der Bedarfsgemeinschaft: , Band II) verwiesen, der Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen ist.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. September 2008 ist gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, denn insoweit hat das Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht zurückgewiesen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Die zu treffende Eilentscheidung kann, wie das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung in Zusammenhang mit Leistungen nach dem SGB II bzw. XII betont hat (Beschluss vom 12. Mai 2005, NVwZ 2005, S. 927 ff), sowohl auf eine Folgenabwägung (Folgen einer Stattgabe gegenüber den Folgen bei Ablehnung des Eilantrages) als auch alternativ auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im Vordergrund steht dabei für den Senat die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache (Anordnungsanspruch), ergänzt um das Merkmal der Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund), um differierende Entscheidungen im Eil- und Hauptsacheverfahren möglichst zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist das Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern im Rahmen des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Möglichen abschließend zu prüfen, besonders wenn das einstweilige Verfahren im Wesentlichen oder vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und einem Beteiligten eine endgültige Grundrechtsbeeinträchtigung droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsacheverfahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Unter Beachtung der auf dem Spiel stehenden Grundrechte dürfen dabei die Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Hieran gemessen haben die Antragsteller für einen wesentlichen Teil ihres Begehrens sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund in einem die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigenden Maße glaubhaft gemacht.

Soweit das Sozialgericht das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs gänzlich verneint hat, kann ihm nicht gefolgt werden. Ein solcher besteht jedenfalls bezüglich der Zusicherung der Erbringung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft zum einen und der Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten und der Mietkaution zum anderen, denn die Antragsteller werden bzw. würden im Hauptsacheverfahren insoweit voraussichtlich obsiegen.

Die Antragsteller haben Anspruch auf die begehrte Zusicherung der Erbringung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft. Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sollen erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Nach Satz 2 der Vorschrift ist der kommunale Träger nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Dass der Umzug erforderlich ist, weil die derzeitigen Wohnverhältnisse der Antragsteller sich als zu beengt darstellen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und findet sich in den Stellungnahmen des zuständigen Jugendamtes und der für den Sohn zuständigen sozialtherapeutischen Einrichtungen bestätigt.

Auch die Aufwendungen für die neue Unterkunft sind angemessen. Ziel der Angemessenheitsprüfung im Rahmen des § 22 Abs. 2 SGB II ist letztlich der Schutz des Grundsicherungsträgers vor einer Einstandspflicht für unverhältnismäßige Unterkunftskosten des Hilfebedürftigen. Dementsprechend haben die Leistungsträger unter Beachtung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze - wegen des regional unterschiedlichen Preisniveaus verschieden hohe - Obergrenzen festgelegt, anhand derer sie prüfen, ob eine Wohnung, für die eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II begehrt wird, im Sinn der Vorschrift angemessen ist. Da § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II anders als § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II (nur) auf die Kosten der Unterkunft und nicht auf die Kosten der Unterkunft und Heizung abstellt, ist insoweit nicht die Bruttowarmmiete entscheidend, sondern die Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Aufl. 2008, Rdnr. 76 zu § 22). Ausgehend davon, dass der Antragsgegner meint, ein Vierpersonenhaushalt benötige mindestens eine Wohnfläche von 81,25 m², dürfte er, da er einerseits seinen Berechnungen ausweislich der Verwaltungsvorgänge Betriebskosten in Höhe von 1,47 Euro je m² und Heizkosten (einschließlich Warmwasser) in Höhe von 0,75 Euro je m² zugrunde legt und andererseits eine Bruttowarmmiete in Höhe von 619,- Euro als Obergrenze der Angemessenheit ansieht, hier Kosten der Unterkunft von maximal 558,06 Euro als angemessen erachten. Die Kosten der Unterkunft für die Wohnung in der S betragen 513,53 Euro (Kaltmiete: 365,43 Euro, Umlagenvorauszahlung Betriebskosten: 124,40 Euro, Kosten für den Aufzug: 23,70 Euro), liegen also um 44,53 Euro unter den höchstens akzeptablen.

Soweit der Antragsgegner der Ansicht ist, die zu geringe Größe der Wohnung im Ganzen und der Kinderzimmer im Besonderen stehe einer Zusicherung entgegen, ist schon nicht erkennbar, auf welche Rechtsgrundlage er sich stützt. Nach § 22 Abs. 2 SGB II ist der Grundsicherungsträger verpflichtet, eine Zusicherung zu erteilen, wenn die beiden oben genannten Voraussetzungen vorliegen. Für eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung zu Lasten der Antragsteller dürfte kein Raum sein. Der Befürchtung des Antragsgegners, die Antragsteller könnten, weil auch die in Aussicht genommene Wohnung nicht bedarfsdeckend sei, schon bald wieder umziehen wollen oder müssen, kann und ist im Übrigen nicht durch die Versagung der Zusicherung zu begegnen, sondern - soweit erforderlich - im Rahmen der Entscheidung über einen künftigen Antrag auf Umzugsbeihilfe. Ziehen die Antragsteller jetzt in die gewünschte "zu kleine" Wohnung, so fallen (zumindest) für die Dauer des Leistungsbezugs und ihres Verbleibs in der Wohnung unter dem Höchstwert liegende Kosten der Unterkunft an.

Einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht haben die Antragsteller auch, soweit sie die Zusicherung der Übernahme der Umzugskosten und der bei Anmietung der Wohnung zu leistenden Kaution begehren.

§ 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II zufolge können Wohnungsbeschaffungskosten, Umzugskosten und eine Mietkaution bei vorheriger Zusicherung übernommen werden. Nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann.

Soweit es im ersten Satz der Vorschrift heißt "können übernommen werden", bedeutet dies nicht, dass die Übernahme der Kosten bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen im Ermessen der Behörde steht (so aber Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, Rdnr. 96 zu § 22). Vielmehr handelt es sich um ein "Kompetenz-Kann" (bei Lang/Link in Eicher/Spellbrink, a.a.O., Rdnr. 87 zu § 22, wird dies diskutiert, aber offen gelassen), denn der Fall, dass die Kosten trotz erteilter - vorheriger - Zusicherung zu Recht nicht übernommen werden, dürfte nicht vorstellbar sein. Die Voraussetzungen für die Erteilung der Zusicherung sind nicht im ersten, sondern im zweiten Satz der Vorschrift geregelt. Liegen sie vor, so hat der Grundsicherungsträger, wie die Formulierung "soll erteilt werden" zeigt, einen eingeschränkten Ermessensspielraum. Nur beim Vorliegen eines atypischen Falls kann er die Erteilung der Zusicherung trotz Vorliegens der im Gesetz geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen verweigern.

Der Fall der Antragsteller ist kein atypischer; die nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II für die Erteilung einer Zusicherung erforderlichen Voraussetzungen liegen vor. Dabei ist die zweite Voraussetzung, "wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann", hier ohne Bedeutung. Sie kann nur für die - vom Begehren der Antragsteller nicht umfassten - Wohnungsbeschaffungskosten, etwa in Form von Maklercourtage, Kosten für Zeitungsinserate oder doppelte Mietzinszahlung gelten, denn Umzugskosten und Mietkaution fallen unabhängig davon an, ob Wohnraum knapp oder im Überfluss vorhanden ist.

Der Umzug ist hier nicht durch den Antragsgegner veranlasst, er ist aber aus anderen Gründen notwendig. Notwendig im Sinne dieser Vorschrift ist dabei nicht jeder Umzug, der im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II erforderlich ist. Es muss nämlich nicht nur der Auszug aus der bisherigen Wohnung erforderlich sein, sondern es muss auch ein Einzug in eine kostenangemessene Wohnung erfolgen. Andernfalls wäre ein Umzug zwar sinnvoll, aber nicht notwendig (vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 98 zu § 22 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn hinsichtlich der Kosten ist die in Aussicht genommene Wohnung, wie oben ausgeführt und im Übrigen auch unstreitig, angemessen. Auch hier gilt, dass die Frage, ob der Antragsgegner die Wohnung für nicht bedarfsgerecht - weil zu klein - hält, nicht von Relevanz ist. Im Übrigen dürften die abstrakten Überlegungen des Antragsgegners zur mangelnden Bedarfsdeckung durch die drei aktuellen Stellungnahmen mit der konkreten Situation der Familie vertrauter Stellen widerlegt sein. Darauf, dass es nicht Aufgabe eines Grundsicherungsträgers ist, seine Vorstellungen von Mindestwohnflächen gegen den erklärten Willen eines Leistungsempfängers, dem möglicherweise das Umfeld wichtiger ist als die Wohnungsgröße, durchzusetzen, braucht an dieser Stelle nicht weiter eingegangen zu werden.

Zwar darf eine Entscheidung im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens grundsätzlich nicht die Hauptsache vorwegnehmen (h.M., vgl. etwa Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl. 2008, Rdnr. 31 zu § 86 b; a.A. unter eingehender Auseinandersetzung mit der h.M.: Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand September 2007, Rdnrn 141 ff zu § 80), was bei einer Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung der Zusicherung hier geschieht. Von diesem Grundsatz ist jedoch abzuweichen, wenn die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) es erfordert. Dies ist vorliegend der Fall: Würde man bis zur Entscheidung in der Hauptsache zuwarten, so stünde die von den Antragstellern in Aussicht genommene Wohnung nicht mehr zur Verfügung, die begehrte Zusicherung könnte nicht mehr erteilt werden. Das Recht der Familie, selbst zu bestimmen, wo und wie sie wohnt, wäre damit in nicht hinnehmbarer Weise beeinträchtigt. Dass die Sache dringlich ist, also auch ein Anordnungsgrund im oben beschriebenen Sinne vorliegt, bedarf nach alledem und angesichts des Umstands, dass die bislang noch für die Antragsteller reservierte Wohnung möglicherweise schon im November 2008 nicht mehr zur Verfügung steht, keiner weiteren Erläuterung mehr.

Keinen Erfolg hat die Beschwerde der Antragsteller, soweit sie damit weiterhin die Verpflichtung des Antragsgegners zur Bereitstellung von Mitteln für die durchschnittliche Renovierung der bisherigen Wohnung und die Einrichtung der neuen Wohnung erwirken möchten. Während nämlich die Tatsache, dass ein Umzug Kosten verursacht, keiner Ausführungen bedarf, ist weder die Erforderlichkeit einer Auszugsrenovierung noch die Notwendigkeit von Neuanschaffungen ohne Weiteres nachvollziehbar. Dazu, dass und in welchem Umfang sie beim Auszug aus der bisherigen Wohnung zu Renovierungsarbeiten verpflichtet sind, haben die Antragsteller aber weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren konkrete Angaben gemacht. Ebenso wenig haben sie dargelegt, an was es beim Einzug in die neue Wohnung fehlen wird. Ein möglicherweise auf der Grundlage von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestehender Anspruch auf die Erbringung von Leistungen für einmalige Aufwendungen ist mithin derzeit nicht glaubhaft gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Ausgehend davon, dass das Interesse der Antragsteller vor allem auf die Erteilung der Zusicherung gerichtet ist, fällt der Umstand, dass ihrem Begehren nicht in vollem Umfang entsprochen werden kann, kaum ins Gewicht, so dass der Senat eine Quotelung nicht für angemessen hält.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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