BSG - B 14 AS 19/14 R - zu viele Einladungen

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Koelsch
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BSG - B 14 AS 19/14 R - zu viele Einladungen

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Beitrag von Koelsch »

Die Revision der Klägerin ist zum Teil erfolgreich gewesen, so dass die Urteile des LSG und des SG zu ändern und ein Teil der Bescheide des Beklagten aufgehoben worden sind. Im Übrigen ist die Revision zurückgewiesen worden.

Die Klägerin konnte zu Recht gegen die einzelnen Bescheide über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und den Eintritt einer Minderung ihres Alg II um jeweils 10 % des maßgebenden Regelbedarfs für drei Monate (so genannter "Sanktionsbescheid") eine isolierte Anfechtungsklage erheben. Dies folgt aus dem Wortlaut von § 31b Abs 1 Satz 1, § 39 Nr 1 SGB II in der ab 1.4.2011 geltenden Fassung, die von einem solchen eigenständigen Verwaltungsakt ausgehen und ihn entgegen der früheren Rechtsprechung nicht als Einheit mit dem Verwaltungsakt ansehen, durch den diese Minderung im Rahmen der Aufhebung eines erfolgten Bewilligungsbescheides (so genannter "Absenkungsbescheid") oder eines neuen Bewilligungsbescheides umgesetzt wird.

Einzeln betrachtet ist keiner der sieben Bescheide über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und den Eintritt einer Minderung rechtlich zu beanstanden, weil die Klägerin vom Beklagten jeweils ordnungsgemäß zu einem Zweck gemäß § 59 SGB II, § 309 SGB III geladen worden war und dieser Meldeaufforderung ohne wichtigen Grund nicht nachgekommen war. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten.

Entgegen der Ansicht des SG ist auch ein Teil der Bescheide nicht deswegen rechtswidrig, weil die Klägerin nicht zuvor einen ersten Bescheid über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung als Warnung erhalten hatte. Die dahingehende Rechtsprechung ist durch die Neufassung der §§ 31 ff. SGB II, wie das LSG zu Recht ausgeführt hat, überholt.

Dem LSG kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es die sieben Meldeaufforderungen innerhalb von acht Wochen in ihrer Gesamtheit als rechtmäßig angesehen hat. Wenn eine solche "Einladungsdichte" zwar nicht grundsätzlich rechtswidrig ist, so ist jedoch zu beachten, dass eine Meldeaufforderung und ihre Ausgestaltung im Ermessen des Beklagten steht. Den sich daraus ergebenden Anforderungen (vgl § 54 Abs 2 Satz 2 SGG) hinsichtlich der Grenzen und des Zwecks des Ermessens, vorliegend also insbesondere die Unterstützung einer Eingliederung der betreffenden Person in das Erwerbsleben nach § 1 Abs 2 SGB II, werden sieben gleichlautende Meldeaufforderungen nicht gerecht. Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit demselben Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Die auf diesen weiteren Meldeaufforderungen beruhenden Bescheide über die Feststellung eines Meldeversäumnisses und einer Minderung sind rechtswidrig.

Soweit in den verbliebenen Bescheiden Minderungen festgestellt werden, die sich in einzelnen Monaten auf 30 % des maßgebenden Regelbedarfs aufsummieren können, werden die damit einhergehenden Auswirkungen nicht verkannt. Trotzdem konnte der Senat sich die notwendige Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Regelungen nicht bilden, weil das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenz­minimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) zwar dem Grunde nach unverfügbar ist, aber der Konkretisierung durch den Gesetzgeber bedarf und die vorliegend einschlägigen Regelungen noch von seiner Gestaltungsfreiheit umfasst sind.

Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... 5&nr=13832
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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