BSG MAE Keine Begrenzung auf 30 Stunden B 4 AS 60/07 R
Verfasst: Mo 2. Mär 2009, 01:53
4) Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Nach § 31 Abs 1 SGB II wird das Alg in einer ersten Stufe um 30 vH der maßgebenden Regelleistung ua dann abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, zumutbare Arbeitsgelegenheiten auszuführen. Eine Absenkung tritt nicht ein, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige für sein Verhalten einen wichtigen Grund nachweist.
Die Beklagte hat dem Kläger eine Tätigkeit angeboten, die den Anforderungen an eine Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II genügt. Die Arbeitsgelegenheiten sind nach der geltenden Gesetzeslage keine Gegenleistung für die dem Hilfebedürftigen gewährten Grundsicherungsleistungen. Sofern der Gesetzgeber im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter dem "Gesichtspunkt des Forderns" sog "Workfare-Elemente" für angemessen hält, muss er dies im Gesetz klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Dies ist nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht der Fall. Die Arbeitsgelegenheiten gehören systematisch vielmehr zum Katalog der in § 16 SGB II geregelten Eingliederungsleistungen. Deren Aufgabe ist die umfassende Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit. Arbeitsgelegenheiten sind Mittel der Grundsicherungsträger zur Umsetzung des Grundsatzes des Förderns. Eine besondere Regelung gilt für die im öffentlichen Interesse liegenden, zusätzlichen Arbeiten, die nicht nach § 16 Abs 1 SGB II als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert werden: Bei Ausübung einer derartigen Arbeitsgelegenheit wird dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuzüglich zum Alg II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt.
Arbeitsgelegenheiten müssen - bezogenen auf den konkreten Hilfebedürftigen - daher erforderlich, geeignet und auch im engeren Sinne angemessen sein, diesem Ziel - Eingliederung in Arbeit - näher zu kommen. Dabei steuert das für alle Eingliederungsleistungen geltende ungeschriebene Merkmal der Erforderlichkeit auch die Dauer und den zeitlichen Umfang der Inanspruchnahme.
Entgegen der Auffassung des LSG widerspricht es den für Arbeitsgelegenheiten geltenden Grundsätzen nicht grundsätzlich, wenn für die Ausübung einer derartigen Tätigkeit ein zeitlicher Umfang von bis zu 30 Stunden anzusetzen ist. Eine gesetzliche Regelung hierzu existiert nicht. Tätigkeiten im Rahmen von Arbeitsgelegenheiten sind keiner isolierten Betrachtung zugänglich. Sie stellen vielmehr - wie andere Eingliederungsleistungen auch - lediglich einen Zwischenschritt zum angestrebten Endziel der Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Arbeit dar. Handelt es sich bei den Arbeitsgelegenheiten nach § 16 Abs 3 Satz 2 SGB II damit ihrem Charakter nach um Förderungsleistungen, die die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen erhalten, verbessern oder wiederherstellen sollen, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob und in welchem Umfang während des Zeitraums der Ausübung der Tätigkeit die Relation von Leistung und Gegenleistung gewahrt ist. Gegen eine zeitliche Inanspruchnahme in dem hier fraglichen Umfang kann auch nicht ins Feld geführt werden, dass durch eine zeitliche Begrenzung die Gefahr einer Verdrängung regulärer Arbeitsverhältnisse verhindert werde. Denn die Verdrängungsgefahr resultiert nicht aus dem Umfang, sondern allein aus der Art der Tätigkeit.
Voraussetzungen für eine Absenkung des Alg II ist aber, dass das Angebot der Arbeitsgelegenheit hinreichend bestimmt war und der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsangebot über die Rechtsfolgen einer Ablehnung verständlich, richtig und vollständig belehrt worden ist.
Das LSG hat hierzu keine Feststellungen getroffen. Es wird nach Zurückverweisung prüfen müssen; ob ein Arbeitsangebot vorliegt, das hinreichende Angaben zur Art der Tätigkeit, zur wöchentlichen Arbeitszeit, zur zeitlichen Lage der Arbeitszeiten und zum Umfang der Aufwandsentschädigung enthält. Weiter ist zu klären, ob eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung erteilt wurde, die den Umständen des Einzelfalles Rechnung trägt und sich nicht in einer bloßen Wiederholung des Gesetzeswortlauts erschöpft.
SG Augsburg - S 6 AS 572/05 -
Bayerisches LSG - L 7 AS 199/06 - - B 4 AS 60/07 R -