B 4 AS 34/12 R Mitbewohner ist nicht automatisch Partner

Urteile und Kommentare zu Bedarfsgemeinschaften, Haushaltsgemeinschaften
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kleinchaos
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B 4 AS 34/12 R Mitbewohner ist nicht automatisch Partner

#1

Beitrag von kleinchaos »

Endlich! Das BSG urteilt weise und realitätsgerecht.

Erstmal nur als Terminbericht:
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 23. August 2012 wie folgt:



1) Auf die Revision der Klägerin hat der Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Er konnte auf Grund der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen, ob die Klägerin hilfebedürftig ist, insbesondere, ob das Einkommen und Vermögen des L. ihrer Hilfebedürftigkeit entgegensteht, weil sie mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Das LSG hat insoweit den Prüfungsumfang verkannt. § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II normiert für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben und zwar 3. so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Bei den Kriterien zu 1. und 2. - nämlich der Partnerschaft und des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt - handelt es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II jeweils zusätzlich zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist auszugehen, wenn eine Ausschließlichkeit der Beziehung in dem Sinne gegeben ist, dass sie keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige Möglichkeit der Heirat bzw Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen. Das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II erfordert das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". Die Vorschrift stellt mithin ihrerseits auf zwei Elemente ab, das Zusammenleben einerseits und das "Wirtschaften aus einem Topf" andererseits. Dies bedeutet, dass die Partner in "einer Wohnung" zusammenleben und die Haushaltsführung an sich sowie das Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich durch beide erfolgen müssen. Ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren festzustellen und ggf die Widerlegung der Vermutung des Einstands- und Verantwortungswillen erneut zu überprüfen haben.

SG Hannover - S 45 AS 2588/07 -
LSG Niedersachsen-Bremen - L 15 AS 654/09 -
Bundessozialgericht - B 4 AS 34/12 R -
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... 2&nr=12627
"Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Rosa Luxemburg
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tigerlaw
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Re: B 4 AS 34/12 R Mitbewohner ist nicht automatisch Partner

#2

Beitrag von tigerlaw »

Ich war gestern zu einer Anwaltsfortbildung "Neueste Rechtsprechung des LSG NRW und des BSG", Referentin war eine Vors. Richterin vom LSG NRW in Essen.

Natürlich war dabei auch dieses Urteil wiedergegeben.

(Link zum Volltext: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... os=3&anz=4 )

Ihre Aussage insoweit lautete (im Kondensat): Wer ehrlich ist, ist selber blöd!

Im LSG jedenfalls werde man ab jetzt gar nicht mehr groß nachprüfen, da man doch nicht die ggf. zutreffenden Sachverhalte ermitteln könnte, wenn schon der diesem Urteil zugrundeliegende Schverhalt nicht zu einer BG-Vermutung ausreiche

(Die Klägerin wohnt seit 1975 mit Herrn L. zusammen. 1986 erfolgte der Umzug in ein gemeinsam finanziertes und im jeweils hälftigen Eigentum stehendes Eigenheim. Die laufenden Ausgaben für die Finanzierung des Hauses, die Versorgung mit Energie und den Telefonanschluss finanzieren sie seither über ein gemeinsames Konto. Darüber hinaus verfügen beide über eigene Konten, für die dem jeweils anderen eine Verfügungsvollmacht erteilt worden war. Für die das Hauseigentum und den Hausrat betreffenden Versicherungen sind beide Versicherungsnehmer. )
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
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