In einem anderen Forum wird insbesondere von Sachbearbeitern in ARGEn heftigst gegen die hier angeschnittene Rechtsansicht geschossen, daher ist mit Widerstand bei entsprechendem Antrag zu rechnen. Ich fülle daher den Munitionsköcher noch etwas:
LSG Niedersachsen-Bremen - L 13 AS 168/07 ER vom 26.10.2007
Auch die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706 ff.) steht dem Anspruch der Antragsteller auf Übernahme der höheren Kosten für ihre neue Unterkunft zur Überzeugung des Senats nicht entgegen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F. werden nach einem nicht erforderlichen Umzug Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht, wenn sich nach dem Umzug die angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung erhöhen. Diese Neuregelung greift zur Überzeugung des Senats jedoch im vorliegenden Falle nicht ein. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollten mit der Neuregelung die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Fällen auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt werden, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen (vgl. BT-Drs. 16/1410, S. 23 zu Nr. 21 Buchst. a). Eine solche Ausschöpfung der örtlichen Angemessenheitsgrenzen kann aber nur bei Umzügen innerhalb desselben örtlichen Wohnungsmarktes stattfinden, der für die Bestimmung der Angemessenheit im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II maßgeblich ist, also üblicherweise innerhalb des jeweiligen Wohnorts. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 18/06 R -, SGb 2007, 543 ff., zitiert nach juris) sind für die Ermittlung des maßgeblichen örtlichen Bereichs in Einzelfällen bei kleinen Gemeinden größere, bei Großstädten kleinere räumliche Bereiche denkbar. Ausgehend hiervon ist die Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II zur Überzeugung des Senats nur auf derartige Umzüge innerhalb desselben Wohnungsmarktes zur "Optimierung" von Leistungsansprüchen anzuwenden (ebenso bereits SG Berlin, Beschluss vom 26.03.2007 – S 37 AS 5804/07 ER, in ZfSH/SGB 2007, 295 f., zitiert nach juris; ausdrücklich offen gelassen im Urteil des BSG vom 07.11.2006 – Az. B 7b AS 10/06 R, a.a.O.). Wie das Bundessozialgericht im genannten Urteil überzeugend ausgeführt hat, war dem Hilfebedürftigen im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II jedenfalls bis zum Inkrafttreten des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F. in der Regel eine freie Wohnortwahl zuzubilligen. Es bestehen aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber durch die Neuregelung eine derart umfassende Einschränkung des grundrechtlich geschützten Rechts auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 Grundgesetz – GG –) vornehmen wollte, dass nunmehr bei allen Umzügen von SGB II-Beziehern eine Deckelung der Kosten auf die bisherigen angemessenen Kosten erfolgen soll, zumal eine derartige Grundrechtseinschränkung an den Vorgaben des Art. 11 Abs. 2 GG zu messen wäre. Eine derartige Auslegung ginge über den dargestellten Gesetzeszweck weit hinaus. Eine weitere Auslegung der Neuregelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II würde ferner zu einer nicht zu rechtfertigenden Schlechterstellung der SGB II-Bezieher führen, die in einer Region mit geringem Mietniveau leben. Denn sie könnten bei einem Umzug im Bundesgebiet an "teureren" Zuzugsorten allenfalls eine unterdurchschnittliche Wohnung anmieten, wenn sie unter diesen Umständen nicht ganz auf den Umzug verzichten wollen, während ein SGB II-Bezieher aus einer Region mit hohem Mietniveau fast unbeschränkt wäre in der Auswahl einer neuen Mietunterkunft. Schließlich ist kein sachlicher Grund dafür erkennbar, Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bei Umzügen im Bundesgebiet stärker zu beschränken als Hilfebedürftige nach dem SGB XII, das eine dem § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F. vergleichbare Vorschrift nicht enthält (so zutreffend auch SG Berlin, a. a. O.). Für die Frage, welche Wohnkosten nach einem nicht erforderlichen Umzug in einen neuen Wohnort als angemessen übernommen werden, kann es daher weiterhin nur auf die Angemessenheit der Unterkunftskosten auf dem Wohnungsmarkt am Zuzugsort ankommen (ebenso SG Berlin, a.a.O.).
LSG Berlin-Brandenburg L 5 B 940/08 AS ER v. 7.8.2008
Gegen die Übernahme der neuen Unterkunftskosten in angemessener Höhe spricht nicht § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, der besagt, dass Leistungen weiterhin nur in Höhe der bisher zu tragenden Aufwendungen erbracht werden, wenn sich die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug erhöhen. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob diese Vorschrift – wie vom Sozialgericht vertreten – grundsätzlich derart ausgelegt werden muss, dass sie bei überregionalen Umzügen keine Anwendung findet (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Oktober 2007 – L 13 AS 168/07 ER – unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/1410, S. 23 zu Nr. 21 a; ausdrücklich offengelassen in BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R; zustimmend Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., Rnr. 47 b zu § 22). Jedenfalls nämlich ist der Anwendungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGG nach Auffassung des Senats dahingehend einzuschränken, dass - unabhängig von der Erforderlichkeit eines Umzugs - eine Begrenzung auf die alten Unterkunftskosten nur dann in Betracht kommt, wenn vor dem Umzug Wohnraum überhaupt zu sozial- und markttypischen Bedingungen bewohnt worden ist (zum Recht auf sozialtypischen Wohnraum vgl. jurisPK - SGB II / Piepenstock, Rnr. 71 zu § 22). Es würde eine unverhältnismäßige Beschränkung des durch Art. 11 Abs. 1 GG gewährleisteten Grundrechts auf Freizügigkeit bedeuten, wenn der Hilfebedürftige faktisch keine Möglichkeit zu einem Wohnortswechsel mehr hätte, weil die Aufwendungen der alten Unterkunft unter Ausblendung der Bedingungen des Wohnungsmarktes festgelegt worden sind.
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 7 AS 1300/08 17.07.2008
§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II gilt jedoch nur für einen Wohnungswechsel innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs (vgl. o.), also üblicherweise innerhalb des jeweiligen Wohnortes (Senatsbeschluss vom 8. Juli 2008 - L 7 AS 2881/08 ER-B-; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26. Oktober 2007 - L 13 AS 168/07 ER - (juris); Lang/Link, a.a.O., Rdnr. 47b; Gerenkamp, a.a.O., § 22 Rdnr. 21a; offen gelassen in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 2). Diese Begrenzung ist zwar, wie die Beklagte zutreffend einwendet, dem gesetzlichen Wortlaut nicht unmittelbar zu entnehmen; sie ergibt sich jedoch aus dem mit der Regelung verfolgten Zweck (Lang/Link, a.a.O.). In der amtlichen Begründung zur Neuregelung (BT-Drucks. 16/1410 S. 23 zu Nummer 21) wird ausgeführt: "Mit der Regelung werden die Kosten der Unterkunft und Heizung in den Fällen, auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt, in denen Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen." Motiv der Neuregelung war es mithin, Kostensteigerungen zu Lasten des kommunalen Trägers entgegenzuwirken, die dadurch entstehen, dass Hilfebedürftige durch Umzug die maßgebliche Angemessenheitsgrenze "ohne Not" voll ausschöpfen, obwohl sie bereits in einer angemessenen – aber preiswerteren - Wohnung leben. Die Regelung bezieht sich auf die örtlich angemessenen Unterkunftskosten, zu deren Ermittlung in der Regel auf den Wohnortbereich abzustellen ist (BSG a.a.O.).