schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

Hilfe bei Fragen rund um Miete, Heizkosten etc. beim ALG II nach § 22 SGB II.
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Koelsch
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#101

Beitrag von Koelsch »

:Daumenhoch: :Daumenhoch:
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schimmy
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#102

Beitrag von schimmy »

:bravo: :bravo:
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tigerlaw
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#103

Beitrag von tigerlaw »

So, ich habe mal die Steilvorlagen von Euch in einen einheitlichen Guss gebracht (auch wenn ich einige Formulierungen von Günter und Marsu dann doch nicht mit eingebaut habe):
In Sachen eLB vs. JC

nehme ich zum Schriftsatz des Beklagten vom 23.01.2019 wie folgt Stellung:

Ich vermisse darin jegliche fundierte Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des SG Köln, es wird nur wiederholt, dass Rödl & Partner ein schlüssiges Konzept vorgelegt habe. Allerdings – eine ständige Wiederholung unzutreffender Fakten macht sie nicht zutreffender. Ebenfalls wird nicht auf die sehr ausführliche Argumentation des Klägers in der 1. Instanz eingegangen.

Wenn der Beklagte auf das Urteil des BSG vom 10.9.2013 (präziser: B 4 AS 77/12 R) abstellt, so möge er bitte begründen, warum das von ihm angeführte Gutachten genau den Punkt der konkreten Verfügbarkeit wie folgt darstellt:

Am Wohnort des Berufungsklägers wohnen 84 Menschen in unangemessenen Wohnungen. Für diese 84 Menschen stehen 3 Wohnungen konkret zur Verfügung. Um diese 3 Wohnungen aber, auch das wird konstatiert, bewerben sich nicht nur diese 84 Menschen sondern deutlich mehr Menschen. Angesichts dieser Zahlen noch zu behaupten, es stünden angemessene Wohnung in ausreichendem Maße zur Verfügung kann nicht nachvollzogen werden.

Der Beklagte mag weiterhin begründen, warum er in 2018 die für P. angemessenen Mieten für 1-Personen-Haushalte von 398,58 € auf 460,50 €, also um 15,5 % gegenüber dem Wert von 2017 angehoben hat, obwohl dieser laut Mietspiegel in diesem Zeitraum nur um 1,24% gestiegen ist. Auch hier sieht der Kläger ein sehr deutliches Zeichen, dass der Beklagte eingesehen hat, dass seine ursprüngliche Erhebung ausgesprochen fehlerhaft ist. Die Prozessvertreterin des Beklagten vor dem SG hatte dem Unterfertigten nach dem Termin mitgeteilt, dass eine weitere beim Kreis vorliegende Datenbasis in die Fortschreibung des Rödl & Partner – Gutachtens einbezogen worden sei, was zu dieser starken Steigerung geführt habe.

Der Vorschlag des Beklagten, Rödl & Partner als sachverständige Zeugen zu laden, ist nicht nachvollziehbar. Wie kann erwartet werden, der „Schuldige“ an dem Konzept werde etwas anderes, halbwegs objektiv Richtiges antworten statt sein Konzept mit allen Kräften zu rechtfertigen. Hier dürfte man eher an den Spruch „den Bock zum Gärtner machen“ denken! Denn Rödl & Partner werden die mathematischen und statistischen Verfahren und Methoden schlüssig darstellen und damit die Basis für das "schlüssige Konzept" manifestieren. Was nützt aber das schönste statistische Verfahren, wenn die zugrundegelegten Daten nicht zutreffend sind. Im Englischen gibt es dazu ein treffendes Akronym: „GIGO“ (garbage in – garbage out)!

Im übrigen gibt es noch ein weiteres Argument, dass der Kläger nicht auf das angeblich schlüssige Konzept von Rödl & Partner verwiesen werden darf: Dem Beklagten ist dies nämlich verwehrt, da er dieses Konzept incl. der vollständigen Ausführungen und Erläuterungen nicht öffentlich bekannt gemacht hat. Denn es handelt sich hier um eine Verwaltungsvorschrift mit unmittelbarer Außenwirkung gegenüber Dritten (anspruchskonkretisierende Verwaltungsvorschrift). Eine selektive, erläuternde Wiedergabe des Inhalts durch das Jobcenter über die Herausgabe einfacher "Merkblätter" oder Ähnliches ist jedenfalls nicht ausreichend (so das SG Bayreuth, Urteil vom 27.10.2016 – S 4 AS 1092/14 –). Obwohl die Berufung zugelassen wurde, ist es (nach Juris) rechtskräftig geworden.

Schlussendlich: Der Beklagte macht dem Kläger den Vorwurf, er habe sich nicht um Senkung der Unterkunftskosten bemüht. Er behauptet also hier allen Ernstes, der Kläger sei zu solchen Bemühungen verpflichtet gewesen, obwohl der Rechtsgrund für diese Bemühungen eben strittig ist, und auch nach Meinung des SG überhaupt nicht gegeben ist.

Doch selbst wenn dem so wäre: Bevor der Kläger seine noch jetzt innegehabte Wohnung im Dezember 2013 beziehen konnte, hatte er im Sommer 2013 verzweifelt nach angemessenem Wohnraum gesucht (die vorherige Unterkunft war tatsächlich absolut unangemessen). In einem Eilverfahren deswegen hatte ein anderer Senat des LSG NRW die Entscheidung des SG Köln bestätigt, dass auch 800 vergebliche Versuche, in Pulheim eine angemessene Wohnung zu finden, nicht dazu führen könnten, dass der Beklagte vorerst die (unangemessenen) Unterkunftskosten weiterbezahlen müsse.

Die Berufung ist also zurückzuweisen.


:tiger:
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Koelsch
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#104

Beitrag von Koelsch »

Nix zu meckern
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Günter
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#105

Beitrag von Günter »

Ich fürchte das LSG wird die Stellungnahme mit der Begründung "Für einen Juristen eine viel zu klare und verständliche Ausdrucksweise" zurückweisen.

Ich finde es gut so.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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angel6364
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#106

Beitrag von angel6364 »

Ich finds auch gut. Und das ist das I-Tüpfelchen:
tigerlaw hat geschrieben: Mo 28. Jan 2019, 00:47 In einem Eilverfahren deswegen hatte ein anderer Senat des LSG NRW die Entscheidung des SG Köln bestätigt, dass auch 800 vergebliche Versuche, in Pulheim eine angemessene Wohnung zu finden, nicht dazu führen könnten, dass der Beklagte vorerst die (unangemessenen) Unterkunftskosten weiterbezahlen müsse.
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kleinchaos
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#107

Beitrag von kleinchaos »

Jetzt hat der Tiger Kläger und Beklagten vertauscht? Ich denk das JC ist hier der Kläger?

Und egal wie man es dreht und wendet: es bleibt an der Panade der nicht vorhandenen Wohnungen hängen. Ein Konzept kann noch so schlüssig sein. Es mützt aber dem Wohnungssuchenden nichts, wenn Bestandswohnungen zu 5,40 gelistet sind, Neuvermietungen aber nicht unter 7,20 passieren
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#108

Beitrag von tigerlaw »

kleinchaos hat geschrieben: Mo 28. Jan 2019, 09:41 Jetzt hat der Tiger Kläger und Beklagten vertauscht? Ich denk das JC ist hier der Kläger?
(...)
Nein, kc: Zuerst hatte eLB die KdU-Kürzung angegriffen, er war also Kläger. Aber, wo ich auf Deine Anmerkung hin meinen Sermon noch mal durchlese: Einmal habe ich tatsächlich "Berufungskläger" geschlieben, statt Kläger. Das habe ich bereits korrigiert.

Das SG hat ausführlich begründet, dass das Konzept des Kreises nicht schlüssig im sinne der BSG-Rechtsprechung sei und deshalb die WohnGG-Tabellen nebst 10 % Unsicherheitszuschlag anzuwenden seien. Deren Oergrenzen liegen noch höher als die tatsächlichen Mietkosten des eLB. Dieser hatte also zu 100 % gesiegt.

SG hat ausdrücklich die Berufung zugelassen, damit das LSG seinen Senf zum vorhandenen "schlüssigen Konzept" hinzugeben könne. Diese Chance hat JC genutzt und Berufung eingelegt.

Die Parteibezeichnungen lauten also "Kläger und Berufungsbeklagter" (für den eLB) und "Beklagter und Berufungskläger" (für das JC). Ich habe aber das ursprüngliche materielle Begehren beibehalten und der Kürze halber mit "Kläger" und "Beklagter" weitergemacht.

Auch die Sitzordnung im LSG legt dies nahe: Von der Richterbank aus gesehen rechts saß bisher in allen Terminen, an denen ich beteiligt war, die Behörde rechts, und wir links, egal ob ich gegen ein erstinstanzliches Urteil anging, oder die Behörde.
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marsupilami
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#109

Beitrag von marsupilami »

:ironiea:
(auch wenn ich einige Formulierungen von Günter und Marsu dann doch nicht mit eingebaut habe):
Immerhin wurde "mein" Fund (Veröffentlichung) mit eingearbeitet. :unschuld:



Ernsthaft: liest sich gut.
Signatur?
Muss das sein?
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friys
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#110

Beitrag von friys »

tigerlaw hat geschrieben: Mo 28. Jan 2019, 00:47 In einem Eilverfahren deswegen hatte ein anderer Senat des LSG NRW die Entscheidung des SG Köln bestätigt, dass auch 800 vergebliche Versuche, in Pulheim eine angemessene Wohnung zu finden, nicht dazu führen könnten, dass der Beklagte vorerst die (unangemessenen) Unterkunftskosten weiterbezahlen müsse.

"Man muss nur richtig suchen, sacht das JC."
Koelsch hat geschrieben: So 10. Jun 2018, 12:26 Man muss nur richtig suchen, sacht das JC. Hatte hier einen Fall, da meinte JC nach vorgelegten über 500 Absagen auf in etwa angemessene Wohnungen. Ja da müssen Sie nicht nur im größeren Dunstkreis von Köln suchen, da müssen sie bundesweit suchen. Also kein Grund, die Miete nicht auf Angemessenheit zu senken.

"Du musst deutschlandweit suchen -"
Koelsch hat geschrieben: So 10. Jun 2018, 20:10 SG mag Freizügigkeit, es hat ja gesagt: Du musst deutschlandweit suchen - genau wie es das JC meinte

Mir gruselt's nach wie vor.
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tigerlaw
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#111

Beitrag von tigerlaw »

Danke, Fryis, die Zitate von Kölsch dürften denselben (auch hier anhängigen) Fall betreffen. Dann werde ich die "800" in "500" ändern.

Außerdem gab es insoweit keine zweite Instanz, das hatte ich mit einem anderen Verfahren (für denselben eLB) verwechselt. Auch dies werde ich natürlich ändern!
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#112

Beitrag von friys »

tigerlaw hat geschrieben: Mo 28. Jan 2019, 15:12 Danke, Fryis, ...
Danke, tigerlaw, ...
...für die Veröffentlichung deines Entwurfs in #104. Daraus werde ich mir 2 Textfragmente borgen - für meine unvermeidlich fällige Retourkutsche auf die demnächst eintrudelnde JC-Erwiderung bezüglich "Es wird beantragt, den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen:"
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Koelsch
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#113

Beitrag von Koelsch »

Man wird also sehen müssen, ob das JC das weiß und wie das LSG NRW zu der Frage steht.
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#114

Beitrag von tigerlaw »

Habe den Text heute Mittag an das LSG gefaxt.

Ist halt etwas Mut zum Risiko. Immerhin muss ja das JC das Urteil 1. Instanz angreifen ...
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#115

Beitrag von Koelsch »

Hervorragendes Timing - gestern hat tigerlaw an's LSG genatwortet, heute kommt dann die Stellungnahme von Rödl & Partner.

Tigerlaw hat bereits mitgeteilt - jetzt dauert's wa, das geht nicht auch wieder in einer Woche
Rödl + Partner Stellungnahme_ano.pdf
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#116

Beitrag von Olivia »

Kritische Auseinandersetzung mit der Methode zur Bestimmung des Mengengerüstes der Nachfrageseite (Punkt 1):

1.) Es wurde seitens Rödl und Partner eine Menge am Wohnungsmarkt "nicht nachfragerelevanter Leistungsempfänger" identifiziert:
Diese Fallzahlen beinhalten Leistungsempfänger, die nicht nachfragerelevant sind, weil sie in den nächsten 6 Monaten aus dem Leistungsbezug fallen werden.
Haben denn diese Leistungsempfänger eine wirksame Verzichtserklärung unterzeichnet, deren Eintrittsdatum in den Zukunft liegt? Wohl eher nicht. Zu vermuten ist, dass stattdessen einfach all diejenigen Leistungsempfänger unter den Tisch fallen gelassen wurden, deren Rest-BWZ unter 6 Monaten fortdauert und die noch keinen WBA gestellt haben.

2.) Es wird eine Bagatellgrenze postuliert, unterhalb derer eine Mietüberschreitung durch die Leistungsempfänger widerspruchslos hingenommen werden müsse bzw. das Jobcenter von sich aus untätig bleibt, weil es sich nicht lohne, eine Kostensenkungsaufforderung auszusprechen:
Im Sinne des Grunsatzes der Wirtschaftlichkeit wird für einen gewissen Teil der unangemessen Wohnenden aufgrund einer lediglich geringfügigen Überschreitung der Mietobergrenzen keine Kostensenkungsaufforderung in Frage kommen.
Das ist reine Spekulation. Eine Bagatellgrenze für Kostenüberschreitungen kennt das Gesetz erstens nicht. Einen Ermessensspielraum hat das Jobcenter soweit mir bekannt bei einer Überschreitung auch nicht. Zweitens ist jede Überschreitung aus dem Regelsatz zu bestreiten. Dieser stellt das Existenzminimum dar. In der Grundsicherung gibt es keine unwesentliche Zuzahlung zu den Mietkosten. Wo sollte da auch die Grenze liegen? Bei 5 €, 10 €, 20 € oder gar 30 € monatlich?

3.) Es wird behauptet, ein Drittel aller SGB-II-Nachfrager falle von vornherein im unteren Mietsegment aus:
Generell kann angenommen werden, dass etwa ein Dritter der unangemessen Wohnenden Leistungsempfänger SGB II aufgrund besonderer Bedarfe oder Wirtschaftlichkeitsgründen keine Relevanz für die Nachfrage am Wohnungsmarkt im unteren Segment besitzen.
Das ist eine weitere unbelegte Spekulation. Gibt für die aufgestellte Behauptung irgendeine Zahlengrundlage?

4.) Es wird unbelegt angenommen, dass nur ein sehr kleiner Teil aller unangemessen Wohnenden (nämlich 8,3% der bereits zuvor um ein Drittel verminderten Nachfragermange) zeitgleich am Wohnungsmarkt sucht:
Es ist nicht zu erwarten, dass die ermittelten unangemessen Wohnenden zeitgleich als Nachfrager auf den Wohnungsmarkt treten werden.
Eine weitere Spekulation. Als Erwiderung auf dieses Argument könnte man antworten: Gleichzeitig kann nicht angenommen werden, dass danach etliche weitere Wohnungen im unteren Preissegment frei werden, denn Neubau findet so gut wie kaum im unteren Preissegment statt und die restlichen Wohnungen sind dauerhaft belegt. Kaum ein Leistungsempfänger zieht aus einer billigen Wohnung fort.

5.) Es wird angenommen, dass sich die Nachfrager am Wohnmarkt über die doppelte Zeit verteilen, als ihnen die Kostensenkungsaufforderung dem Gesetz nach für eine Kostensenkung zugesteht:
Schon allein aufgrund der verwaltungsseitigen Bearbeitungszeiten für Einzelfallprüfungen bzw. Kostensenkungsaufforderungen und letztendlich auch der damit einhergehenden Fristen für die Suche nach angemessenem Wohnraum ist davon auszugehen, dass sich die tatsächlich nachfragerelevanten Leistungsempfänger auf dem Wohnungsmarkt mindestens über einen Zeitraum von einem Jahr verteilen.
Die Kostensenkung hat so schnell wie möglich zu erfolgen, spätestens nach sechs Monaten. Manchmal auch innerhalb von drei Monaten, z.B. wenn der Inhalt der Kostensenkungsaufforderung bereits aus einem früheren Leistungsbezug noch "in Erinnerung" ist und daher vorausgesetzt werden kann. Keinesfalls darf sich die Wohnungssuche über 12 Monate erstrecken, denn spätestens ab dem 7. Monat muss aus eigener Tasche aufgezahlt werden. Es wird verkannt, dass jobcenterseitig gerade wegen der verwaltungsseitigen Bearbeitungszeiten für Einzelfallprüfungen und dem damit verbundenen Aufwand möglihst mehrere Verfahren gleichzeitig angeschoben werden müssten, denn eine Bearbeitung nacheinander würde sich viel zu lange erstrecken. Das Gesetz kennt ausserdem keinen Grund, wegen des Verwaltungsaufwandes auf den Berwaltungsakt verzichten zu können.

6.) Nun der entscheidende Faktor, um die Zahl der Nachfrager kleinzurechnen:
Daher wird die Zahl der Leistungsempfänger SGB II und SGB XII mit dem Faktor 0,083 multipliziert [bzw. andersherum ausgedrückt durch zwölf geteilt].
Worauf basiert die Herleitung dieses Faktor? Auf der unbewiesenen Annahme von weiter oben? Wieso ausgerechnet durch zwölf Monate geteilt? Kostensenkungsaufforderungen laufen maximal sechs Monate. Des weiteren werden auf einmal SGB II-Leistungsempfänger mit SGB XII-Empfängern vermengt.

7.) Die "Nachfragekonkurrenz" soll laut Tabelle bei 74 bis 83% der zuvor ermittelten äussert fragwürdig kleingerechneten Zahl an SGB II-Nachfragern liegen:
Eine Nachfragekonkurrenz von bspw. 80% bedeutet, dass von 100 preisgünstigen Wohnungen, die am Markt vergeben werden, 20 von Transferleistungsempfängern bewohnt werden (und 80% von deren "Konkurrenten" am Wohnungsmarkt).
Wenn jedoch die zuvor ermittelte Zahl künstlich klein gerechnet wurde, führt dieser weitere Berechnungsschritt zu ungültigen Ergebnissen. Es fragt sich ausserdem, wie die 74 bis 83% Nachfragekonkurrenz ermittelt wurden. Hierzu müsste dem Gericht ein wissenschaftlicher Nachweis erbracht werden, da der aus der Nachfragekonkurrenz entstehende Multiplikator einen sehr grossen Einfluss auf das Endergebnis hat.
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Koelsch
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#117

Beitrag von Koelsch »

Hervorragend :bravo: :bravo:
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#118

Beitrag von Koelsch »

Ergänzend, weil ja auf Dresden Bezug genommen wird, die aktuellen und die 2016 Verweilzahlen in Dresden und Rhein-Erft
Verweildauern ALG II und Dresden.xls
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#119

Beitrag von Koelsch »

Wobei es für meine Begriffe schon recht "kühn" ist, die Verhältnisse einer Großstadt (und dann noch in Sachsen :ohnmacht: ) mal so einfach auf die Verhältnisse eines eher ländlichen Raumes zu übertragen.
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#120

Beitrag von tigerlaw »

Mensch, Olivia, :Daumenhoch: :bravo: :Daumenhoch: :bravo: :Daumenhoch: :bravo: :Daumenhoch:

Fein ausziselierte Bearbeitung, und nicht einmal ein einziges Pinselhaar (geschweige denn ein Quast) mit schwarzer Farbe!! :unschuld: :zwinker: :zwinker:
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#121

Beitrag von Koelsch »

Hab mir das auch noch mal vorgenommen und bewusst Olivia's gute Anmerkungen ausgeblendet, um "mein Ding" zu machen.
Rödl + Partner Stellungnahme_ano_markiert.pdf
Rödl Bemeckerung.doc
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#122

Beitrag von kleinchaos »

Selbst wenn zahlenmäßig für jeden Suchenden eine Wohnung vorhanden wäre, so heißt das ja noch lange nicht, dass sie auch tatsächlich für ihn/siw anmietbar sind
"Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei - mögen sie noch so zahlreich sein - ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden." Rosa Luxemburg
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#123

Beitrag von Günter »

Und dann sind die zahlenmäßig nicht erfassten Bürger mit Niedrigeinkommen ohne Leistungsbezug, die auch preiswerte Wohnungen suchen.
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Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Re: schlüssiges Konzept? - Gegenargumente gesucht

#124

Beitrag von Koelsch »

Nur um mal zu verdeutlichen, wer da unser "Gegner" ist: https://www.roedl.de/unternehmen/daten-fakten/
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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#125

Beitrag von marsupilami »

10 % Rechtsanwälte? Interessantes Verhältnis.
Signatur?
Muss das sein?
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