Kostenübernahme Mieterverein etc

Hilfe bei Fragen rund um Miete, Heizkosten etc. beim ALG II nach § 22 SGB II.
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Koelsch
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Kostenübernahme Mieterverein etc

#1

Beitrag von Koelsch »

Ich erhielt dazu die folgende, sehr aussagekräftige Mail:
Nachstehendes aus "Gautzsch/Rips: Hartz IV Unterkunftskosten und
Heizkosten" sowie "Geiger: Unterkunfts- und Heizkosten nach dem SGB II"

Kosten externer Beratung und Vertretung als Unterkunftskosten

Bei rechtlich wie tatsächlich komplexen Sachverhalten kann das Jobcenter
entweder in Ausübung seiner Beratungspflicht gemäß § 14 SGB I oder aber
zur Abwehr unberechtigter Unterkunftskosten Kosten für
Beratungsleistungen Dritter übernehmen.
Sofern dem Grunde nach ein Anspruch auf Unterkunftskosten besteht, bspw.
bei Abrechnungssalden und hieraus resultierenden
Vorauszahlungsanpassungen, Mieterhöhungen oder Schadensersatzforderungen
wegen unterlassener Schönheitsreparaturen, aber rechtliche Bedenken
bestehen, kann der Anspruch auf Unterkunftskosten auch hiermit
verbundene weitere Schadensersatzansprüche, wie Mahnkosten, Zinsen,
außergerichtliche und gerichtliche Gerichts- und Rechtsanwaltskosten,
umfassen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.11.2006 - L 7 SO
4415/05, in allen Fällen eine rechtzeitige Beantragung vorausgesetzt.).
Entstehen solche Folgekosten aufgrund einer Nichtbearbeitung,
verzögerten Bearbeitung oder aber einer Auseinandersetzung über den
Inhalt der sozialrechtlichen Leistungspflicht, gehören derartige
zusätzliche Kosten zum Anspruch auf Unterkunftskosten (nach den
Kriterien § 1 I Nr. BerHG i.V.m. § 114 ZPO.). Gleiches gilt, wenn eine
Auseinandersetzung um derartige Kosten Aussicht auf Erfolg hat (LSG
Baden-Württemberg a.a.O.) und das Jobcenter einer Kostentragung im
Verlustfall vor Beginn einer kostenträchtigen Auseinandersetzung
zustimmt. Letztendlich bleibt es gleich, ob derartige Kosten durch eine
mit Erfolgsaussichten geführte Auseinandersetzung über den
sozialrechtlichen oder den zivilrechtlichen Teil des Gesamtanspruchs
entstehen.
Das Jobcenter kann entweder in Ausübung seiner Beratungspflicht gemäß §
14 SGB I oder aber zur Abwehr unberechtigter Unterkunftskosten Kosten
für Beratungsleistungen Dritter übernehmen. Hierfür üblicherweise
anfallende Kosten eines Mietervereins (vgl. Sachverhalt bei LSG NW,
Beschl. v. 06.07.2007 L 20 B 65/07 SO ER; Rips, Wohnen unter Hartz IV,
WuM 2005 S. 635, 637 mit Beispielen.), einer Verbraucherberatung, eines
Haus- und Grundeigentümervereins oder eines spezialisierten
Rechtsanwaltes stehen üblicherweise in keinem Verhältnis zu der Chance
der Vermeidung von Unterkunftskosten in erheblicher Höhe.

Durch Beratung des Leistungsträgers den Leistungsempfänger in die Lage
zu versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter durchzusetzen, und
den Leistungsberechtigten ggf. bei der Rechtsdurchsetzung gegen den
Vermieter wirksam unterstützen (BSG 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R, SozR
4-4200 § 22 Nr. 53; s.a. Körtek SGb 2013, 51).

P.S.
Wendet man sich diesbezüglich an Jobcenter und Eigenbetriebe dann nicht nur auf den § 14 SGB I verweisen, sondern:
§ 14 SGB I i.V.m. §§ 1 Abs. 3 Nr.1 und 14 Abs.2 SGB II.

Denn der Gesetzgeber hat nunmehr mit der Novellierung des SGB II durch das Rechtsvereinfachungsgesetz vom 01.08.2016 zusätzlich zu den schon nach dem SGB I bestehenden Beratungs- und Hinwirkungspflichten der Behörde auch noch im SGB II Beratungspflichten festgeschrieben. Gesetzestechnisch ist die Beratungspflicht nach den hier genannten Normen des SGB II vorrangig gegenüber der Beratungspflicht nach dem SGB I.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Olivia
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#2

Beitrag von Olivia »

:Daumenhoch:
derfred
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#3

Beitrag von derfred »

heißt das ich habe das recht auf übernahme der kosten für einen mieterschutzverein? das thema hatte ich galube ich auch schon hier. mein antrag auf kostenübernahme für die beiträge wurde aber abgelehnt.
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Koelsch
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#4

Beitrag von Koelsch »

Zumindest sollten gute Chancen auf Übernahme bestehen, wenn Du mit dem Vermieter "in Diskussionen" stehst.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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marsupilami
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#5

Beitrag von marsupilami »

Kann man das sinngemäß auch auf SGB XII anwenden?
Oder konkreter gefragt:
Die neue alte SB beim Gruselamt zickte aktuell bei mir mit dem 2. Jahresbeitrag rum.
Erst als ich darauf verwies, dass man mit Bescheid von Jänner 2019 ja die Übernahme der Kosten anerkannt hat und schon damals bekannt war, dass die Mitgliedschaft mind. 2 Jahre geht, da lenkte sie ein.

Brachte aber Beratungsschein und PKH in's Spiel.
D.h. wenn ich bis Sommer keinen wirklichen Streit mit dem Vermieter "nachweisen" kann, wird mir wohl die Kündigung nahegelegt werden.
Der Vermieter aber stellt sich einfach tot.
Ob überhaupt, wann und was der Vermieter in Zukunft unternehmen wird, weiß doch kein Mensch!
Vermutlich nicht mal er selbst!

Er wird aber was unternehmen müssen.
Denn wir haben Geschäfte, Arztpraxis im Haus.
Die wollen - vermutlich - eine ordentliche NK-Abrechnung.

Dazu kommt längerfristig die neue Grundsteuer in's Spiel und höchstwahrscheinlich über kurz oder lang eine CO2-Steuer auf die Heiz-/WW-Anlage.
Er wird also letztendlich um eine Neu-Ausgestaltung der NK-Abrechnung auf Dauer nicht drumherumkommen.


Könnte man also den Text im Eingangsposting als zarten Hinweis kopieren und an Gruselamt-SB schicken?
Mit dem Hinweis: wurde zwar zu den einschlägigen §§ des SGB II geschrieben, lässt sich aber sicherlich argumentativ auf SGB XII anwenden?
Signatur?
Muss das sein?
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Koelsch
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#6

Beitrag von Koelsch »

Ich denke, da gelten die gleichen Regeln. Im Zweifel kann man darauf verweisen.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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Pegasus
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#7

Beitrag von Pegasus »

Gute Frage Marsu.
Das Jobcenter kann entweder in Ausübung seiner Beratungspflicht gemäß §
14 SGB I oder aber zur Abwehr unberechtigter Unterkunftskosten Kosten
für Beratungsleistungen Dritter übernehmen
Kann oder MUSS ?
In jeden Stein, in jeden Ast, in jeden Tier ist Leben wie in Dir selbst
Einst hatten wir Angst und zogen in den Krieg, um unsere Freiheit zu verteidigen. Heute haben wir Angst vor Worte.
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tigerlaw
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#8

Beitrag von tigerlaw »

Steht aber nicht in einem Gesetz, sondern einem Aufsatz, deshalb ist dies nicht "technisch" zu interpretieren!
Ich darf sogar beraten - bei Bedarf bitte PN!
Olivia
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#9

Beitrag von Olivia »

marsupilami hat geschrieben: Do 30. Jan 2020, 10:12 wenn ich bis Sommer keinen wirklichen Streit mit dem Vermieter "nachweisen" kann, wird mir wohl die Kündigung nahegelegt werden.
Die Argumentation ist :arge:

Denn in einem Mieterverein geht man, BEVOR ein Rechtsstreit losgeht. Bei der RSV gibt es eine Wartezeit von üblicherweise drei Monaten. Wenn ein Rechtsstreit losgeht, ist es für einen Neueintritt in den Mieterverein mit Kostenübernahme für den anliegenden Streit zu spät! Weise das Gruselamt darauf hin.

Vielleicht verkauft der Vermieter das Haus an einen Investor und dann geht erheblicher Streit los? Wer kann das schon wissen?
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Koelsch
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#10

Beitrag von Koelsch »

Also mal beim "Gruselamt" anklopfen, wie es aussieht mit Mieterverein und die Argumente von hier bringen.
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
Olivia
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#11

Beitrag von Olivia »

Dem Gruselamt auch klarmachen, dass wenn etwas anbrennt, es sehr, sehr teuer werden kann. Ein jahrelanger Prozess über mehrere Instanzen kostet bestimmt sehr viel Gerichtsgebühren, Honorare für Rechtsanwälte und im Fall eines Unterliegens dann zusätzlich noch die Kosten für die gegnerische Instanz sowie die Kosten für einen Umzug samt dann sicherlich unvermeidbarer und dauerhafter Mietsteigerung des neuen Mietobjekts.

Das Gruselamt soll sich zwischen der "Sicherheits- und der Risikovariante" entscheiden und im Fall von letzterer eine vollständige Kostenfreistellung für Marsu schon jetzt zusagen!

Der Mieterverein wird ja eben deswegen beansprucht, weil der Vermieter irgendwie merkwürdig ist und bspw. seit langer Zeit keine Korrektur zur NK-Abrechnung schickt. Dies könnte bspw. darauf hindeuten, dass ihm "alles zuviel" geworden ist, er irgendwann hinwirft und das Haus meistbietend an einen Finanzinvestor verkauft. In Frage käme zum Beispiel ein neu aufgelegter Investmentfonds aus Übersee, der in ländliche Einzelimmobilien in Süddeutschland investiert. Der Investor hat diese Anlageklasse neu entdeckt und aus finanzmathematischer Sicht gilt der Markt als "stark unterbewertet". Er sieht erhebliches Mietsteigerungspotential sowie die Möglichkeit auf Zusatzgewinne durch gleichzeitige Vernachlässigung der Immobilie.
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marsupilami
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#12

Beitrag von marsupilami »

1.) Die Hütte, in der ich wohne, steht ja schon seit 2 Jahren - oder sind's schon dreie? - zum Verkauf.
Passieren tut nix.
War niemand da zur Besichtigung.

2.) Es geht ja - vermutlich - nicht nur mir so - also dass man/vrau einen .... ähhhhh ..... anderweitig beschäftigten Vermieter hat, der so ein Haus einfach "schleifen" lässt und sich nicht groß drum kümmert.
Oder gar tot stellt, wenn ihm mal aus Richtung der Mieter der Wind etwas schärfer um die Nase weht.

Seit Jahren steht auch ein (Büro-)Raum im EG leer - also keine Mieteinnahmen.
Es kümmert ihn wohl nicht.
Offenbar kann er die Verluste aus dem Betrieb des Hauses durch andere Geschäftsinteressen kompensieren.


Die Friseurin unten im EG z.B. hat nur einen 5-Jahres-Vertrag.
Der läuft irgendwann dieses Jahr aus.
Also wird sie sich um eine Verlängerung bemühen.
Denn der Laden läuft, sie hat eine Angestellte, ab und an sogar eine Aushilfe.
Haufen Stammkundschaft.
Wenn er sich wieder tot stellt, endet der Vertrag, Friseurin geht/muss raus, Leerstand - noch weniger Mieteinnahmen.

Solche Ungewissheit zerrt ein wenig an den Nerven.
Signatur?
Muss das sein?
Olivia
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#13

Beitrag von Olivia »

Was es nicht alles gibt. Finanzielle Probleme scheint der Vermieter nicht zu haben...
Olivia
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Re: Kostenübernahme Mieterverein etc

#14

Beitrag von Olivia »

10. Mitgliedschaft in einer Mieterorganisation

10.1 Voraussetzungen für eine Kostenübernahme

(1) Wenn ein mietrechtlicher Beratungsbedarf besteht, sind anfallende Mitgliedsbeiträge für eine Mieterorganisation als Kosten für Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Es soll mit der mietrechtlichen Beratung sichergestellt werden, dass nur rechtmäßige Forderungen des Vermieters oder des Heizenergieversorgers als Kosten für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe übernommen werden und insbesondere ungerechtfertigte Kündigungen vermieden werden.
(2) Ein mietrechtlicher Beratungsbedarf ist insbesondere in folgenden Fällen zu bejahen (Aufzählung ist nicht abschließend):

Überprüfung von Betriebs- und Heizkostenabrechnungen, wenn Zweifel an deren Rechtsmäßigkeit bestehen
Bedarf nach Energieberatung
Mietmängel (z. B. Schimmel)
Ansprüche des Mieters/der Mieterin auf Schadenersatz (z. B. Folgeschäden durch Wasserrohrbruch – Renovierung, Möbel)
Forderung von Schadensersatz durch den Vermieter (z. B. wegen angeblicher Schäden durch den Leistungsberechtigten)
Mieterhöhungen
Verdacht auf Mietwucher, Mietpreisüberhöhung, Verdacht auf Verstoß gegen die sog. Mietpreisbremse oder andere Vorschriften
Modernisierungsmaßnahmen
Beendigung des Mietverhältnisses (z. B. aufgrund Kündigung durch den Vermieter oder den Mieter oder die Mieterin)
Beratung über den Umfang von Renovierungsleistungen (z. B. Schönheitsreparaturen, Auszugsrenovierung)
Fragen rund um die Mietkaution
(3) Sofern bereits Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine der vorgenannten Beratungsbedarfe eintreten könnte, ist ein mietrechtlicher Beratungsbedarf zu bejahen. In Zweifelsfällen ist die Frage, ob ein mietrechtlicher Beratungsbedarf vorliegt, großzügig auszulegen.

https://www.berlin.de/sen/soziales/serv ... 571939.php
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