Insolvenz ja oder nein oder wie?

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Koelsch
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Insolvenz ja oder nein oder wie?

#1

Beitrag von Koelsch »

Junger Mann, schätze ihn auf Anfang 30, besitzt und ist GF einer GmbH. Schuftet wie ein Wilder, kann offensichtlich was auf seinem Gebiet (irgendwas mit IT), um "immer fit" zu bleiben, kommen Alkohol und härtere Drogen in's Leben - Ende Psychiatrie.

GmbH hat nun € 500.000 USt.-Schulden, er hat € 60.000 Schulden nicht gezahlte KV Beiträge (nur für sich).
So weit so schlecht.

Er wohnt mittlerweile im Ausland (und ist dort abhängig beschäftigt in ruhigem Job).
Wohnsitz im Ausland bedeutet, weder FA von KV können gegen ihn einen Insoantrag stellen (Fremdantrag).

Das pikante Problem: Kann ein im Ausland lebender Deutscher denn in Deutschland selbst einen Insoantrag stellen, um dann in absehbarer zeit schuldenfrei zu sein?
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
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marsupilami
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#2

Beitrag von marsupilami »

Frag einen anwalt.de

Da ich keine Ahnung von Recht und Gerechtigkeit habe geschweige denn Anwalt bin, sag ich mal so:
Im Prinzip gilt das teutsche Insolvenzrecht in Schland. Heißt aber auch, dass die "Beteiligten" zumindest ihren ständigen Wohnsitz in Schland haben müssten.
Ich vermute, dass auch das "Geschäft" in irgendwelchen Verzeichnissen teutscher Behörden geführt werden müsste

Andererseits können ja auch ausländische Gläubiger in Schland "Titel erwerben" - oder wie das heißt.
Und da ja insbesondere Mutti immer auf europäische Lösungen verweist, wird es vermutlich eben europäische Regelungen geben.

Sag' ich doch - ich glaube, das hier weist in die Richtung:
https://www.fachanwalt.de/ratgeber/das- ... zverfahren
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Koelsch
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#3

Beitrag von Koelsch »

Keine Ahnung, wo der junge Mann derzeit wohnt, er meinte aber EU-Recht sei bei ihm nicht anwendbar. Also wird's wohl außerhalb der EU sein.
Trotzdem danke für den interessanten Beitrag
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Günter
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#4

Beitrag von Günter »

Aber der Sitz der GmbH war in Deutschland, also muss man das Inso-Verfahren gegen die GmbH und den GF in Deutschland eröffnen können. Alles andere macht keinen Sinn. Die Nichtabführung von SozVers-Beiträgen ist eine Straftat, da wird er ohnehin Verjährungsfristen im Ausland abwarten müssen.
Warnhinweis: Einige meiner Beiträge können Spuren von Ironie enthalten.

Ich könnte freundlich, aber wozu? :6:
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Koelsch
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#5

Beitrag von Koelsch »

Er hat ja lediglich seine KV-Beiträge nicht abgeführt, das ist keine Straftat. Was bringt's den Gläubigern, bei einer "leeren" GmbH Inso zu beantragen? Dann tragen sie die Verfahrenskosten und erhalten das Ergebnis: Inso abgelehnt mangels Masse
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marsupilami
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#6

Beitrag von marsupilami »

Könnte der sich vorstellen, bei der KV um ein Vergleichs-Angebot anzufragen?
Nach dem Motto:
will mein Leben auf die Reihe bekommen und - soweit möglich und bezahlbar - Schulden abtragen.
Inso-Verfahren in Schland kostet zusätzliches Geld, das er nicht hat.


Wieviel er derzeit im Monat/Jahr verdient, muss er ja erstmal nicht ausplaudern.


Selbst wenn KV-Beiträge-nicht-abführen keine Straftat ist, wird doch das Fi-Amt sofort hellhörig, wenn er hier in Schland - egal wie - tätig wird, womöglich Steuern zahlt.
Dann wird das Fi-Amt sagen: ....ähhhhh.... sie haben da noch 'nen Bierdeckel offen bei uns. Wie sieht's aus?
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Günter
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#7

Beitrag von Günter »

Koelsch hat geschrieben: Fr 18. Jan 2019, 09:23 Er hat ja lediglich seine KV-Beiträge nicht abgeführt, das ist keine Straftat.
Kann ich dem Gesetz nicht entnehmen, In den Kommentaren steht folgendes
6. Leistungsfähigkeit

§ 266a StGB stellt ein echtes Unterlassungsdelikt dar. Folglich muss als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hinzutreten, dass AGn die Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflicht möglich und zumutbar ist (BGH 5. Strafsenat 28.5.02, wistra 02, 340, 341). Eine unmögliche Leistung, die insbesondere bei Zahlungsunfähigkeit vorliegt, darf den Verpflichteten nicht abverlangt werden. Soweit ein persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist, ist auch dessen finanzielle Leistungskraft bei der Feststellung der Zahlungsunfähigkeit einzubeziehen.


Die Strafbarkeit entfällt jedoch nicht, wenn AG zwar zum Fälligkeitstag zahlungsunfähig sind, ihr pflichtwidriges Verhalten aber vorverlagert ist (sog. omissio libera in causa). Sie sind deshalb verpflichtet, die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge zum Fälligkeitstag sicherzustellen. Eine solche Verpflichtung besteht namentlich bei sich abzeichnenden Liquiditätsproblemen. Welche Vorkehrungen und in welchem Umfang sie zu treffen sind, richtet sich nach der Eigenart des jeweiligen Einzelfalles. Pflichtwidrigkeit ist jedenfalls zu bejahen, wenn durch finanztechnische Maßnahmen die Beitragszahlung hätte gewährleistet werden können.


Sozialversicherungsbeiträge sind vorrangig zu bedienen. Diese Verpflichtung geht aber nicht soweit, dass Vermögenswerte wegen der Drohung von Pfändungen für titulierte Forderungen dem Zugriff der Gläubiger entzogen werden dürfen. Der 5. Strafsenat hat im Gegensatz zum 6. Zivilsenat des BGH (15.10.96, NJW 97, 133, 134) die Ausschöpfung eines offenen Kreditrahmens nicht verlangt, wenn die Rückzahlung nicht gewährleistet ist. Der VI. Zivilsenat des BGH (14.11.00, NJW 01, 967, 968) verlangt für die Sicherstellung der Beitragszahlung, dass ausreichende Rücklagen unter Zurückstellung anderweitiger Zahlungsverpflichtungen - notfalls sogar durch Kürzung der auszuzahlenden Löhne - gebildet werden.

7. Pflichten/Handlungsmöglichkeiten des Geschäftsführers

AG und Geschäftsführer einer juristischen Person (z.B. GmbH) müssen ihre Pflichten nicht in eigener Person erfüllen. Sie können delegieren, behalten aber die Überwachungspflicht. In der finanziellen Krise des Unternehmens haben sie sich über die Einhaltung von erteilten Anweisungen zur pünktlichen Zahlung fälliger Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern (BGH 6. Zivilsenat 9.1.01, NJW 01, 969, 970). In der finanziellen Krise trifft eine solche Überwachungspflicht auch Mitgeschäftsführer, die auf Grund interner Zuständigkeitsregelungen in der Geschäftsführung z.B. für den Außendienst zuständig sind.


Als taugliche Täter scheiden solche Personen aus, die nur über den sich aus der Bestellung zum Geschäftsführer ergebenden Rechtsschein verfügen, nicht aber auch über Kompetenzen, um auf die rechtliche und wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft Einfluss nehmen zu können (OLG Hamm 10.2.00, StV 02, 204)..
https://www.iww.de/pstr/archiv/sozialve ... tgb-f38400


Die Frage ist, ob er sich auch noch der Insolvenzverschleppung strafbar gemacht hat.

Ich empfehle ganz dringend die Konsultation eines Juristen.
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Günter
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#8

Beitrag von Günter »

Sozialabgaben nicht abgeführt: Wann liegt eine Straftat vor?
Die Strafbarkeit setzt einschränkend allerdings voraus, dass die Zahlungen überhaupt geleistet werden können. Jedoch hat die Abführung der Arbeitnehmeranteile gegenüber etwaiger anderer Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers immer Vorrang - so die aktuelle Rechtsprechung.

Für die vertretungsberechtigten Organe von Kapitalgesellschaften gilt: Sie müssen nach Eintritt von Zahlungsunfähigkeit innerhalb von höchstens 3 Wochen einen Insolvenzantrag stellen. Bis dahin dürfen sie keine weiteren Zahlungen leisten und machen sich nicht strafbar, wenn der Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstellen nicht gezahlt wird.
https://www.haufe.de/personal/entgelt/a ... 38180.html


Insolvenzverschleppung ist ein ganz heißes Eisen. Er hätte längst den Konkursantrag für die GmbH stellen müssen.
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Koelsch
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#9

Beitrag von Koelsch »

Die Anonymen Insolvenzler sind da dran und werden ihre Juristen befragen.

Zu den KV-Beiträgen: Die Anonymen weisen immer wieder darauf hin, dass es da oft zu einem "groben" Fehler kommt. Es werden SV-Beiträge vom Arbeitgeber abgeführt, aber nur 50%. Es fehlt aber auf der Überweisung dann der deutliche Hinweis, dass es sich hierbei um den AN-Betrtrag handelt. Und dann bucht KV diese 50% als Beitrag des "Zahlenden", also als AG-Beitrag, damit die offenen 50% AN-Beintrag dann als deliktische Forderung nicht in die Insomasse einfließen kann. Daher ganz wichtig in einem solchen Fall darauf hinweisen, dass ist der AN-Beitrag - denn nicht Abführung des AN-Beitrags ist in der Tat eine Straftat, da es sich hierbei ja um "treuhänderisch" verwaltetes Geld handelt, dass dem AN vom Lohn abgezogen wurde.
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Günter
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#10

Beitrag von Günter »

In die selbe Falle bin ich damals auch getappt. Hat mich per Strafbefehl damals 3.000 DM gekostet. aber das war in den 90ern, heute wird das vermutlich teurer.

Ich vermute eher ihm fällt die Inso-Verschleppung gewaltig auf die Füße.
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Olivia
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#11

Beitrag von Olivia »

Krass: Verwendungszweck vergessen --> Strafbefehl.
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Günter
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#12

Beitrag von Günter »

Viel schlimmer, die Kunden ließen mich verhungern und zahlten schleppend bis gar nicht, ich war froh die Löhne halbwegs zahlen zu können, die Lieferanten verlangten ständig Zahlungen und kürzten ständig den Kreditrahmen, der Eintreiber der AOK kam des öfteren in die Firma und zog mir Liquidität ab, weder der AOK Fuzzy, noch der Steuerberater haben mich auf das Thema Arbeitnehmeranteile hingewiesen, das Geld wurde auf die alten Forderungen der AOK verbucht statt auf AN Anteile. Und als ich die Firma zugemacht hatte, kam der Strafbefehl. Ich bin Ingenieur und kein Buchhalter. Heute weiß ich es besser, damals hatte ich mit meinen Baustellen und den Geldflüssen, bzw nicht Flüssen den Kopp voll.
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Olivia
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#13

Beitrag von Olivia »

Oh nein. Die kamen von der AOK in der Firma vorbei, um Geld abzuziehen? Wie krass ist das denn.
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Günter
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Re: Insolvenz ja oder nein oder wie?

#14

Beitrag von Günter »

Heute ist die Rechtslage vermutlich eine andere, aber Anfang der 90er war noch fast jeder Arbeitnehmer (damals wurde in Arbeiter und Angestellte unterschieden) im Handwerk Mitglied der AOK. Und die waren extrem schnell dabei ihre Vollzieher vorbei zu schicken. Die hatten ständig die Drohung der Insolvenz und der Gewerbeuntersagung wegen finanzieller Unzuverlässigkeit in der Tasche. Viel schlimmer war, dass die damals sehr schnell die Konten dicht machen konnten. und meist waren die etwas unumgänglich.
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