Danke an Willy Voigt - ergänzend und erläuternd hierzu:
hier noch ein paar Erläuterungen und die entsprechenden Links zu den EU-Verordnungen und der HEGA betreffend Dolmetscherdiensten und Übersetzungen in Sozialbehörden.
Aufwändungen für Dolmetscher im Sozialverwaltungsverfahren gem. § 19 Abs. 1 SGB X können grundsätzlich durch die Behörde getragen werden - müssen aber nicht. Hierfür besteht Ermessen.
Falls "bei einer Behörde in einer fremden Sprache Anträge gestellt oder Eingaben, Belege, Urkunden oder sonstige Dokumente vorgelegt" werden und "sofern sie nicht in der Lage ist, die Anträge oder Dokumente zu verstehen", soll die Behörde die Übersetzung verlangen und falls diese innerhalb der gesetzten Frist nicht vorgelegt wird, selbst eine Übersetzung vornehmen lassen und die Kosten den Antragstellenden in Rechnung stellen. Aber: Eine Übersetzung ist nur erforderlich, wenn die Behörde - z. B. unter Zuhilfenahme der Sprachkompetenzen der Kolleg_innen - die Dokumente sonst nicht verstehen kann! (§ 19 Abs. 2 SGB X)
Für bestimmte Gruppen ausländischer Staatsangehöriger gibt es jedoch weitergehende Regelungen und zwingende Kostenbefreiungen, die nicht im deutschen Gesetz stehen, sondern sich aus EU-Verordnungen ergeben. Diese sind unmittelbar anwendbar, auch wenn es kein entsprechendes Gesetz gibt.
So regelt Art. 76 Abs. 7 der VO 883/2004 folgendes:
Das heißt: Die Behörde muss die Anträge oder Schriftstücke von Amts wegen übersetzen lassen und dies auch bezahlen.
Diese Regelung gilt nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 für
Staatsangehörige der Unionsstaaten,
Staatenlose und
(anerkannte) Flüchtlinge
sowie die jeweiligen Familienangehörigen.
Bedingung ist, dass der gewöhnliche Aufenthalt und nicht nur ein vorübergehender Aufenthalt besteht.
Gemäß Art. der VO 1231/2010 gelten die Regelungen ebenso für alle Drittstaatsangehörigen und ihre Familienangehörigen, wenn sie aus einem anderen EU-Staat langfristig nach Deutschland ziehen (z. B. § 38a AufenthG).
Umfasst sind gem. Art. 3 VO 883/2004 u. a. die Zweige der sozialen Sicherheit: Krankenversicherung, Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung, Familienleistungen; auch das Alg II (Jobcenter) fällt nach der Rechtsprechung des EuGH als "besondere beitragsunabhängige Geldleistung" unter den Gleichbehandlungsgrundsatz des Unionsrechts - die Kostenbefreiung gilt also auch in den Jobcentern - und zwar unabhängig davon, ob es sich um Gemeinsame Einrichtungen oder Optionskommunen handelt.
Um die Vorschriften der genannten EU-Vorschriften umzusetzen, hat die Bundesagentur für Arbeit für den Bereich des SGB II und SGB III eine HEGA 05/11-08 ("Handlungsempfehluung und Geschäftsanweisung") veröffentlicht, die für die Jobcenter und Arbeitsagenturen vorgibt, wie zu verfahren ist. Auch wenn es sich für die Jobcenter nur um eine "Information" handelt, müssen diese die Regelungen prinzipiell auch von ihnen eingehalten werden, da sie sich zum Großteil aus EU-Recht ergeben (s.o.).
Nach der HEGA gilt folgendes: Vorrangig sollen andere geeignete (!) Wege für Dolmetscher- und Übersetzungsdienste genutzt werden: Vertraute der Antragstellenden, Behördenmitarbeiter mit entsprechenden Sprachkenntnissen, soziale und ehrenamtliche Einrichtungen. Wenn diese Möglichkeiten nicht bestehen oder nicht sinnvoll nutzbar sind (Kinder sollten sicherlich nicht als Dolmetscher eingesetzt werden!), muss das Jobcenter bzw. die Arbeitsagentur einen Dolmetscher zur Verfügung stellen und Papiere übersetzen lassen und dafür auch die Kosten tragen. In der HEGA steht dazu folgendes:
Das heißt: Bei Erstkontakten sind die Übersetzungs- und Dolmetscherkosten auf jeden Fall zu tragen. Bei allen weiteren Kontakten zwingend nur noch für EU-Bürger, anerkannte Flüchtlinge, Staatenlose, Drittstaatsangehörige mit grenzüberschreitendem Bezug und für die jeweiligen Familienangehörigen - denn diese haben gem. EU-Recht eine generelle Kostenbefreiung. Bei allen anderen, nicht von der Verordnung erfassten Personen mit Sprachschwierigkeiten bzw. ausländischen Dokumenten, kann im Rahmen des Ermessens auf die Kostenerstattung verzichtet werden.
Im Sinne einer Gleichbehandlung von Antragstellenden und einer effektiven Arbeitsmarktintegration wäre es wohl sinnvoll, wenn Jobcenter und Arbeitsagenturen eine einheitliche und großzügige Handhabung dieser in weiten Teilen unbekannten Regelung entwickeln würden.