B 8 SO 2/09 R - Erbenhaftung der Eltern für Sozialleistungen

Urteile rund um das SGB XII
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Emmaly
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B 8 SO 2/09 R - Erbenhaftung der Eltern für Sozialleistungen

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Beitrag von Emmaly »

Eltern haften als Erben mit dem Nachlass für rechtmäßig an ihr contergangeschädigtes Kind erbrachte Sozial­hilfeleistungen



Die Kläger sind Eltern einer 1961 geborenen und im Februar 2003 verstorbenen Frau, die auf Grund der Einnahme des Medikaments Contergan durch die Klägerin zu 2 während der Schwanger­schaft von Geburt an schwerstbehindert war. Sie hatte von der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" eine einmalige Kapitalentschädigung in Höhe von 25.000 DM und eine monatliche Rente in Höhe von zu­letzt 1.024 DM bzw dem entsprechenden Euro-Betrag erhalten. Seit Januar 1997 leistete der beklagte Sozialhilfeträger Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege in einem Heim, wobei die Leistungen der Stiftung auf Grund gesetzlicher Regelung weder als Einkommen noch als Vermögen berücksichtigt wurden. Nach dem Tod der Tochter machte der Sozialhilfeträger gegenüber den Klägern, den Erben, einen Ersatz­anspruch in Höhe von jeweils über 28.000 Euro wegen der erbrachten Sozialhilfe­leistun­gen geltend, weil der Nachlasswert nach den eigenen Angaben der Kläger über 63.000 Euro betrage, von dem allerdings noch die Bestattungskosten von fast 5.000 Euro abzuziehen seien. Die Klagen blieben erst- und zweitinstanzlich erfolglos.

Mit seiner Entscheidung vom 23. März 2010 hat der 8. Senat des Bundessozialgerichts ‑ B 8 SO 2/09 R ‑ die Urteile des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache nur deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, weil nicht mit hin­rei­chender Sicher­heit entschieden werden konnte, ob die von den Klägern als Erben geltend ge­machten Ersatz­ansprüche von jeweils über 28.000 Euro auf rechtmäßigen Sozialhilfeleistungen be­ruhten. Dies mag zwar im Hinblick auf den Gesamtzeitraum der Leistungserbringung und die Art der Leistungen wahr­scheinlich sein, entbindet jedoch weder den Beklagten noch die Instanzgerichte von der genauen Überprüfung deren Rechtmäßigkeit. Entgegen der Ansicht der Kläger bestehen an­sonsten aber keine Zweifel an der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der ergangenen Be­scheide des Beklagten. Insbesondere können sich die Kläger nicht darauf berufen, dass Vermögen, das bei ihrer Tochter auf Grund des Gesetzes über die Errichtung einer Stiftung "Hilfswerk für be­hinderte Kinder" (StiftG) we­gen deren Conterganschädigung nicht bei der Gewährung von Sozial­hilfeleistungen berücksichtigt werden durfte, auch bei den Erben nicht angegriffen werden darf. Eine entsprechende Regelung ent­hält weder dieses Gesetz noch das Bundessozialhilfegesetz (BSHG; seit 1.1.2005 SGB XII). Die von den Klägern geltend gemachten psychischen Belastungen recht­fertigen nicht die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 92c Abs 3 Nr 3 BSHG. Eine besondere Härte erfordert eine aty­pische, vom Regelfall abweichende Lebenslage, die vorliegend nicht erkenn­bar ist. Das StiftG sieht Leistungen an Eltern nur in Form von Beihilfen zu den Aufwendungen vor, die im Zusammenhang mit dem durch das StifG geregelten Schadensfall stehen; die Leistungen nach dem StiftG, die Ersatzan­sprüche gegen den Produkthersteller ausschließen, gleichen mithin nur beim durch das Medikament selbst Geschädigten auch ideelle Schäden aus. Diese gesetzliche Wertung bestimmt die Auslegung der Härtefallregelung. Rechtlich unerheblich ist, ob die Verstorbene den Klägern das Erbe schon vor ihrem Tod per Schenkung hätte zukommen lassen können, ohne dass der Beklagte darauf irgend­wann hätte zugreifen können.



Az.: B 8 SO 2/09 R 1. A. W., 2. G. D. ./. Landrat des Kreises Lippe
http://juris.bundessozialgericht.de/cgi ... s=0&anz=10
LG Emmaly
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