BFH - III R 17/13 - Kindergeld für Kinder im EU Ausland

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Koelsch
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BFH - III R 17/13 - Kindergeld für Kinder im EU Ausland

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Beitrag von Koelsch »

Lebt ein Kind im EU-Ausland bei der geschiedenen Ehefrau, ist sie, nicht aber der in Deutschland lebende Vater kindergeldberechtigt. Dies stellt der Bundesfinanzhof klar. In dem Urteil vom 04.02.2016 (Az.: III R 17/13) folgt er der Beurteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union (DStRE 2015, 1501), an den er zuvor ein Vorabentscheidungsersuchen gerichtet hatte. Mit einem weiteren Urteil vom 10.03.2016 hat der BFH diese Rechtsprechung in einem ähnlichen Fall bestätigt (Az.: III R 62/12).

Mutter wohnt mit Sohn in Polen

Im Streitfall (Az.: III R 17/13) beantragte ein in Deutschland wohnender deutscher Staatsangehöriger Kindergeld für seinen Sohn. Der Sohn lebte in Polen im Haushalt seiner Mutter, der geschiedenen polnischen Ehefrau des Klägers. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil sie der Ansicht war, der Anspruch auf Kindergeld stehe nicht dem Kläger zu. Kindergeldberechtigt sei die geschiedene Ehefrau. Dem stehe nicht entgegen, dass sie in Deutschland über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt verfügt. Vor dem Finanzgericht hatte der Kläger Erfolg.

BFH verweist auf Wohnsitzfiktion

Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Entscheidend sei hierfür die unionsrechtliche Vereinheitlichung der nationalen Regelungen zur sozialen Sicherheit (Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der seit dem 01.05.2010 geltenden Verordnung Nr. 987/2009). Danach sei bei Ansprüchen auf Familienleistungen in grenzüberschreitenden Sachverhalten die gesamte Familie so zu behandeln, als würde sie in dem Mitgliedstaat wohnen, dessen Familienleistungen beansprucht werden (Wohnsitzfiktion).

Auch geschiedene Ehefrau ist Familienangehörige

Da das deutsche Kindergeldrecht nicht danach unterscheide, ob die Eltern eines Kindes verheiratet sind oder nicht, sei auch die geschiedene Ehefrau Familienangehörige. Somit gelte sie als mit dem Kind in Deutschland lebend. Damit stehe ihr der Anspruch auf Kindergeld zu, da nach deutschem Recht das Kindergeld bei getrennt lebenden Eltern vorrangig an den Elternteil ausgezahlt wird, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

EuGH bestätigte möglichen Anspruch des im EU-Ausland lebenden Elternteils

Da der BFH Zweifel hatte, ob das Unionsrecht tatsächlich eine solch weitgehende Fiktion beabsichtigt, richtete er ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, der entschied, dass die Wohnsitzfiktion zu einem Wechsel der persönlichen Anspruchsberechtigung von dem in Deutschland lebenden Elternteil zu dem im EU-Ausland lebenden anderen Elternteil führen kann (DStRE 2015, 1501 – Trapkowski). Daran ändere sich auch dann nichts, wenn der im EU-Ausland lebende Elternteil keinen Antrag auf deutsches Kindergeld gestellt hat.

Behörde muss über Kindergeldanspruch der geschiedenen Ehefrau entscheiden

In seinem Urteil folgte der BFH der Beurteilung durch den EuGH. Die Entscheidung des BFH ist dessen Angaben zufolge von allgemeiner Bedeutung für Fälle, in denen die Eltern eines Kindes in unterschiedlichen EU-Staaten leben und in keinem EU-Staat ein gemeinsamer Haushalt der Eltern und des Kindes besteht. In Bezug auf den Sohn, für den das Kindergeld beansprucht wurde, habe die Familienkasse nunmehr über den Kindergeldanspruch der geschiedenen Ehefrau zu entscheiden.

Inhaltsgleiche Entscheidung in weiterem Verfahren

Inhaltsgleich hat der BFH in einem zweiten Urteil vom 10.03.2016 entschieden (Az.: III R 62/12). Hier lebten die beiden Töchter des in Deutschland wohnenden Klägers bei ihrer in Griechenland lebenden Großmutter. Nach deutschem Recht kann ein Anspruch auf Kindergeld auch einem Großelternteil zustehen, der sein Enkelkind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Der BFH folgte auch hier dem EuGH-Urteil in der Rechtssache Trapkowski. Somit war auch hier nach Auffassung des Gerichts zu fingieren, dass die Großmutter mit ihren beiden Enkelinnen in Deutschland lebte. Ein Anspruch auf Kindergeld stehe somit ihr zu und nicht dem Kläger.

http://rsw.beck.de/aktuell/meldung/bfh- ... htigt-sein


Urteil: http://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin ... n&nr=33221
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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