SG DD - S 52 AS 4382/17 - Anforderung an Unterlagen von Selbstständigen

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Koelsch
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SG DD - S 52 AS 4382/17 - Anforderung an Unterlagen von Selbstständigen

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Beitrag von Koelsch »

Das Jobcenter darf die Anforderungen bei der Vorlage von Unterlagen von Selbständigen nicht überspannen

Urteile des Sozialgerichts Dresden vom 11. Januar 2018

Bei der Anforderung von Unterlagen von selbständigen Aufstockern darf das Jobcenter keine zu hohen Hürden setzen. Die Annahme von Originalunterlagen darf das Jobcenter nicht verweigern. Auch Angaben, die erst im Widerspruchsverfahren erfolgen, muss das Jobcenter noch berücksichtigen. Das hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 11. Januar 2018 entschieden.

Der 44 Jahre alte Kläger hatte als Aufstocker Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") bezogen. Er ist in Dresden selbständig als Bauingenieur tätig. Das prognostizierte Einkommen betrug nur gut 100 € im Monat. Daher bewilligte das Jobcenter Dresden vorläufig Leistungen in Höhe von über 700 € pro Monat. Ende 2016 forderte das Jobcenter den Kläger auf, für die letzten vier Jahre vollständige Nachweise zu seinen Einkünften vorzulegen. Originalbelege würden nicht mehr entgegengenommen. Eine Reaktion des Klägers ging beim Jobcenter nicht ein. Das Jobcenter Dresden setzte daraufhin den Leistungsbetrag für die betroffenen vier Jahre auf 0 € fest und verlangte vom Kläger über 31.000 € zurück. Hierbei stützte es sich auf eine am 1. August 2016 in Kraft getretene Verfahrensvorschrift im SGB II. Im Widerspruchsverfahren teilte der Kläger mit, dass er die Unterlagen eingereicht habe und bot die erneute Übersendung an. Das Jobcenter ist der Auffassung, dass die Vorlage der Unterlagen im Widerspruchsverfahren nicht mehr nachgeholt werden kann.

Die 52. Kammer des Sozialgerichts Dresden hat den Klagen stattgegeben. Auch die Änderung des SGB II zum 1. August 2016 (siehe Anlage) berechtigt das Jobcenter nicht dazu, Angaben der Leistungsempfänger im Widerspruchsverfahren auszuschließen. Vielmehr muss das Jobcenter die gesamten Ansprüche auch dann berechnen, wenn die Angaben im Widerspruchsverfahren gemacht werden. Erklärt sich der Leistungsempfänger hierzu bereit, muss er die Gelegenheit auch eingeräumt bekommen. In diesem Zusammenhang ist die Zurückweisung von Originalunterlagen unzulässig. Denn das Sozialverfahren ist für die Leistungsempfänger gebühren- und auslagenfrei. Daher muss er auch keine Kopien auf eigene Kosten anfertigen. Wenn die Sozialbehörde Kopien von Unterlagen benötigt, kann sie Kosten hierfür nicht auf die Leistungsbezieher abwälzen.

Die Kammer hat aus diesen Gründen die Festsetzungs- und Erstattungsbescheide aufgehoben. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit ließ das Sozialgericht Dresden in allen acht Verfahren die Sprungrevision zum Bundessozialgericht in Kassel zu. Die entschiedenen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem neuen Verfahrensrecht seit 1. August 2016 werden in zahlreichen Verfahren aufgeworfen. Mit der Sprungrevision soll eine zügige grundlegende Klärung der Rechtslage ermöglicht werden.

Aktenzeichen: S 52 AS 4382/17 u. a. (nicht rechtskräftig)

Anlage:
§ 41a Absatz 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in der ab 1. August 2016 gültigen Fassung:

Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

http://www.justiz.sachsen.de/sgdd/content/1096.php
Frei nach Hanns-Dieter Hüsch, ist der Kölner überhaupt zu allem unfähig. Er weiß nix, kann aber alles erklären.
Deshalb kann von mir keine Rechtsberatung erfolgen, auch nicht per e-mail oder PN.
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